Heft 
(1908) 17
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Das alte und neue Potsdam.

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leger Friedrich Nikolai hatte in seinen Schriten über Berlin und Potsdam aus gleichen Empfindungen heraus geschrieben. Und wenn auch die komische Überhebung dieses kleinen Geistes im allgemeimen die Kunst mit gar zu nüchternem Blicke zu verstehen suchte, so kann auch er nur stolze Genugtuung über das Wirken seines Herrschers für Potsdam aus- driicken. Dieser Ton der Bewunderung ist allen Schilderungen der Stadt eigen über ein Jahrhundert hinaus. Die Freude über die einzigartige künstlerische Gestaltung der hohenzollernschen Sommer­residenz hat weit über Deutschland hinaus, gewirkt und begeisterte Schilderungen der königlichen Anlage hervorgerufen. Ja, die englischen und französischen Reisehandbücher haben bei den Hinweisen auf Potsdam reichere Farben als bei anderen Stadtbildern aufgetragen, die erstereu freilich oft vom Standpunkte des reichen Kaufmanns, der für die Kunst der Straße nicht viel übrig hat, die Franzosen aber mit einem gewissen Bedauern darüber, daß solche Kunst auch außerhalb Frankreichs möglich sei; sie trösten sich indessen schnell mit dem begründeten Hinweis auf die Mitarbeit französischer Künstler. Auch heute noch ist Potsdam das Ziel vieler Reisenden; man kann aber in Übereinstimmung mit der Wandlung der Reiseliteratur feststellen, daß mehr und mehr die Schlösser allein die Augen auf sich ziehen. Wie wir die künstlerische Herrschaft über die Straße verloren haben, so hat auch der Reisende nicht mehr den ästhetischen Maßstab, um die stimmungsvolle Kunst zu schätzen, die in dem Stadtbilde von Potsdam charakteristisch hervortritt.

Das Potsdam, das wir zum größten Teile noch besitzen, muß von zwei Standpunkten aus beurteilt werden: von dem künstlerischen und dem geschichtlichen. Haben doch etwa zehn Hohenzollernfürsten persön­lichen Anteil au der Bauentwicklung! Was die Stadt ist, verdankt sie allein ihren Fürsten, die in steigendem Maße ihre Entwicklung be­stimmten. So ist ein künstlerischer Stadtorganismus geschaffen worden, der von den Schlössern und Parks äußere Richtungslinien erhalten hat, dessen innere Einheit aber von der bürgerlichen Architektur getragen wird. Man kann mit einem gewissen Recht behaupten, daß nirgends auf der Welt eine Stadt so stark die Züge eines geschlechterlang ge­pflegten fürstlichen Mäcenatentums trägt wie Potsdam. Weder Versailles noch Fontainebleau, die beide nur Schlösser geblieben sind, weder Florenz und andere oberitalische Fürstensitze, denen neben den Fürsten auch trotzige Stadtfeudale baulichen Ausdruck gaben, noch auch die in der Entwicklung stehen gebliebenen Residenzen kleiner Dynastien in Süd­deutschland haben diese Einheitlichkeit, diese persönliche fürstliche Note in gleichem Maße wie Potsdam, an dem seit Joachims I. Tagen kein Holienzoller ohne persönliche Kunstbetätigung vorübergegangen ist.

Das wendische Potsdam, von dein der Kietz noch eine letzte sicht­bare Erinnerung ist, ist bereits unter den anhaitischen Markgrafen von

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