Heft 
(1908) 17
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Das alte nnd neue Potsdam.

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Residenz erst ermöglichte. Des Großen Kurfürsten Nachfolger, FriedrichL, ließ die Stadt und das Schloß weiter ausbauen; doch nahm erst Friedrich Wilhelm I. die auf Bildung einer Residenzstadt gerichtete Überlieferung des Großen Kurfürsten wieder im ganzen Umfange auf. Bei seinem Regierungsantritte zählte Potsdam 220 Häuser, als er die Augen schloß, hatte sich die Anzahl verfünffacht. In wiederholten Erweiterungen dehnte er die Straßenanlagen nach Westen, Norden und Nordosten aus, so daß die Stadt sich vom Kietz über den Luisen-Platz, das Jäger-, Nauener- und Berliner Tor bis an die Havel ausbreitete. Weite Flächen innerhalb dieser Stadt bedeckten freilich noch Sumpf und Wasser: neben dem alten Graben wurde der Wilhelms-Platz von dem Faulen See, der Bassin- Platz von einem Sumpf eingenommen, der später Friedrich dem Großen viel Sorge machen sollte. Um die Zufuhr von Baumateiialien zu er­leichtern, ließ der König den alten Graben znschütten und an seiner Stelle denKanal graben, der die Altstadt in geraden Linien umgab und westlich vom Lustgarten wieder zur Havel führte. Der erwähnte Sumpf wurde zu einem See ausgetorft, in dessen Mitte eine Insel stehen blieb, und in seiner Nachbarschaft das sogenannteHolländische Viertel begonnen. Zugeschüttet wurde auch der Faule See. Von den Kirchen ist damals die Nikolaikirche an der Stelle der älteren Katharinenkirche errichtet und die Garnisonkirche begonnen worden. Ein großes Militär­waisenhaus, das Rathaus und eine Anzahl von Kasernen bildeten architektonische Stützpunkte, an die sich die Fachwerkhäuser der Bürger lehnten. Viele von ihnen hatte der König auf eigene Kosten erbauen lassen; bei anderen gab er Baumaterialien oder streckte die Bausummen vor. Alles in allem hatte Friedrich Wilhelm I. riesige Summen in Potsdam verbaut; leider kann man sie nur notdürftig abschätzen, weil er die Rechnungen vor seinem Tode vernichten ließ.

Wenn wir jetzt einen Blick auf den Straßenplan von Potsdam werfen, dann zeigt sich ohne weiteies, daß in der Schöpfung des Soldaten­königs ein anderes Straßensystem auftritt als in dem, geschichtlich und in Anlehnung an die natürliche Beschaffenheit des Geländes entstandenen der Altstadt. Hier geben die wenigen Hauptgebäude und die alten Hof­stellen die Richtung der kurzen und zum Teil gekrümmten Straßen an, während bei der Stadterweiterung Friedrich Wilhelms diese planmäßig in annähernd gleichen Abständen und geraden Linien verlaufen. Man ist heute drauf und dran, dieses Straßensystem, das wir allerdings bei unseren Stadterweiterungen bis zum Überdruß kennen und verurteilen gelernt haben, als unkünstlerisch vollständig abzulehnen. Daß wir damit zu weit gehen, läßt sich ohne weiteres aus den Straßenbildern Potsdams beweisen, das ergibt sich aber auch aus der Tendenz einer Stadterweiterung des 18. Jahrhunderts. Eine solche schließt, soweit nicht Berg und Wasser dies verhindern, immer eine gewisse Willkür ein, die eine ebene Fläche