Heft 
(1908) 17
Seite
7
Einzelbild herunterladen

Das alte und neue Potsdam.

7

haben: die einheitliche Gestaltung der Fassaden. In Potsdam lag diese in der Hand der königlichen Architekten Gayette, Berger und Boumann, die vermutlich auch die Grundrißanlage der Stadtviertel machten. Die neuen Fachwerkhäuser wurden von ihnen fast durch- gehends nach demselben Muster mit zwei Stockwerken und möglichst gleicher Fassade erbaut. So mußte eine ruhige, schlichte Einheitlichkeit gewahrt werden, die in den architektonischen Steigerungen des Rathauses, des Schlosses und der Stadttore um so kräftiger zum Ausdruck kam. Das klingt nun so, als ob ein solcher Straßenprospekt von beherrschender Monotonie oder Langweiligkeit gewesen sein müsse; wenn wir aber daran denken, daß in dem durchgehends breiten und mit Bäumen bepflanzten Straßenbild ein anderes Kunstprinzip nach Anerkennung strebt, als es

in den engen, von hohen Giebel­häusern umsäum­ten, krummen Gassen mittelalter­licher Städte sich herausgebildet hatte, dann wird man eine starke künstlerische Wirkung um so mehr voraussetzen können, als wir an anderen Orten, wie Mannheim, Bay­reuth, Ansbach usw. noch Denkmäler

Abb. 2. Haustür in der Kreuzstraße.

jener Geschmacks­richtung tatsächlich vor Augen haben. Bei Potsdam sind uns allerdings nur Rückschlüsse auf die Stadt Friedrich Wilhelms I. erlaubt, weil seine Fach­werkfassaden fast alle durch Massiv­bauten ersetzt worden sind; nur das Holländische Viertel, von dem ein Teil aller­dings auch erst von

Friedrich dem Großen fertig gestellt wurde, gibt eine, durch die Eigenart des Baustoffes und der Bauformen freilich etwas ver­einseitigte Vorstellung von dem Potsdam seines Vaters. Bei diesen Häusern kommt ein gesundes architektonisches Gefühl zum Durch­bruch, das die Wand als Fläche, das Dach als obere Schutzdecke un- verhällt wirken läßt. Nur andeutungsweise macht sich ein Streben nach Abwechslung in einem flachen Mittelrisalit bemerkbar. Fenster und Türen sind fast immer ungeschmückt; sie wirken trotzdem künstlerisch durch die schönen Verhältnisse und durch den gleichen Maßstab, der sie aneinanderreiht oder der Fassade einordnet. Wo aber bei diesen friderizianischen Häusern die Tür architektonisch betont ist, geschieht es in einer einfachen, maßvollen und feinlinigen Umrahmung, die selbst bei erhöhten Ansprüchen diesen Charakter beibehält. Das klare Gesetz der architektonischen Zügelung bedingt aber auch ein weises Maßhalten