Heft 
(1908) 17
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Robert Mielke.

im einzelnen, ein Maßhalten, das der Maurermeister der Gegenwart leider nicht immer anerkennt und darum bei Ladenausbrüchen und anderen Veränderungen zum Schaden der Gesamtwirkung oft genug preisgegeben hat. Schon leichte Aufbauten können diese Schlichtheit in der Erscheinung stören, was schon bei einem Umblick im Holländischen Viertel bisweilen zu Tage tritt.

Friedrich Wilhelm I. ist der Gründer des modernen Potsdam, sein großer Sohn Friedrich der Schöpfer der künstlerischen Stadt. Von welch einer gewaltigen Einwirkung seine Regierung auf Potsdam war, erkennt man aus der ziffernmäßigen Angabe, daß er auf seine Kosten allein 616 meist massive Bürgerhäuser hat aufführen lassen, und daß von den 10073950 Talern, die er nach Mangers Berechnung für die Bauten aufgewandt hatte, 5322912 Taler für seine Schlösser und 4751038 Taler für städtische und bürgerliche Häuser ausgegeben hat, d. h. nach heutiger Rechnung etwa 75000000 Mark. In mehr als vier Jahrzehnten seiner Regierung teilweise durch den Siebenjährigen Krieg unterbrochen ließ er das Holländische Viertel vollenden, die älteren Fachwerkhäuser durch massive ersetzen oder die Lücken in der Bebauung schließen. Eine kleine Stadterweiterung östlich vom Bassin kommt dagegen im Verhältnis zu der seines Vaters räumlich kaum in betracht.

Seinen guten künstlerischen Blick zeigte der König bei der Anlage seiner Schlösser; hier war er auch dem Landschaftsbilde gegenüber un­abhängig und konnte er seine künstlerischen Ideale ohne irgend eine Rücksicht zur Ausführung bringen, während er sich bei dem Stadtbilde von Potsdam pietätvoll und streng an die Grundlage hielt, die ihm durch den Straßenplan seines Vaters vorgezeichnet war. Darin zeigt sich aber sein künstlerisch klares Wollen, daß er auch hier stets die richtigen Mittel für eine gute architektonische Wirkung zu finden wusste. Mit der künstlerischen Gestaltung der Stadt ist er daher so eng verknüpft wie keiner seiner Vorgänger, ja, wenn man alle die kleinen Züge über­sieht, die uns von seiner Sorge für die Stadt urkundlich überliefert sind, dann muss man zu dem Schlüsse kommen, dass kaum jemals ein Stadt­organismus soviel persönliche Einwirkungen seitens seines Schöpfers zeigte, wie die Residenzstadt Potsdam. Friedrich hat nicht allein selbst Entwürfe für einzelne Bauten gezeichnet, sondern er hat auch alle anderen Pläne bis ins einzelnste durchgesehen, begutachtet und vielfach mit Änderungen versehen, die seinen Anschauungen entsprachen. Man wird es vielleicht kaum jemals in voller Klarheit verfolgen können, wie der Mann, dessen Blick in alle Maschen seines grossen Regierungs­mechanismus drang, die Zeit finden konnte, sich um Treppen, Balustraden, Vasen und andere Kleinigkeiten zu kümmern. Und mehr als seinen Architekten lieb war, denn Friedrichs Stellung zu diesen war selten eine