Heft 
(1908) 17
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Bobert Mielke.

begleiteten Straße ist von so selten schönem malerischen Reiz, daß diese doppelseitige Kanalstraße zu den wertvollsten Denkmälern der Kunst des 18. Jahrhunderts gehört. Gewiß findet man dieses Motiv auch in Holland, wo es aber baumlos mitten in das Getriebe des Verkehrs gerückt oder, wie in Leyden, ein erstarrtes Denkmal ehemaligen Handelslebens ist; in Potsdam aber hat es in den zum grossen Teil noch erhaltenen Wohnhäusern einen entsprechenden architektonischen Ausklang gefunden, der in seiner heiteren Ruhe, belebt von den kleinen Brücken, eine andere residenzliche Note des alten Motivs be­kundet. Man kann daher in dem Kanal eine holländische Nachbildung um so weniger erkennen, als die holländische Kultur sowohl durch die Beziehungen unseres Fürstenhauses zu den Oraniern, als auch durch die Einwanderung hervorragender Volkselemente längst in eine holländisch­märkische Verschmelzung eingetreten war. Selbst das Holländische Viertel ist dadurch bodenständig geworden. Der Kanal aber, der ur­sprünglich als Schiffahrtsweg keineswegs als bewußte Übertragung angelegt wurde, hat holländische Eigenart eigentlich nur in einzelnen Straßennamen gehabt. Vollends aber ist sie durch die Bauart der den Kanal begleitenden Wohnhäuser unterdrückt worden. Die einfachen und schlichten Gebäude, meistens zwei- bis dreistöckig und oft, wenigstens bei späteren Ergänzungen, mit einem wirkungsvollen Mansardendach erhalten durch den Kanal eine solche künstlerische Stimmung, daß dieser allein Potsdam zu einem hervorragenden Denkmal moderner Städtebau­kunst machen würde. Ihn zu vernichten und an seine Stelle eine breite Avenue schaffen, welche mit unerbittlicher Logik auch das Ende der schlichtschönen Gebäude sein würde, hieße den schönsten Zug im Gesichte der königlichen Stadt löschen und nüchterne Plattheit, wenn nicht gar aufdringliche Scheinkunst, an seinen Platz setzen.

Leider ist die Befürchtung nicht ganz grundlos, daß man sich zu diesem Opfer verstehen könnte. Durch die Senkung des Wasserspiegels der Spree und Havel ist bei dem Kanal nicht nur ein tieferer Wasser­stand eingetreten, sondern auch das hölzerne Pfahlwerk der Böschung mit der Luft in Berührung gekommen, wodurch es in Fäulnis gerät und die Böschung selbst gefährdet. Man führt auch andere Unzuträglich­keiten an, um den Kanal zu vernichten, ja, es wird selbst geltend ge­macht, daß hin und wieder ein Kind in den Kanal gefallen und bisweilen ertrunken sei. Das ist gewiß zu bedauern, aber darum ein so prächtiges Denkmal friderizianischer Städtekunst zu vernichten, geht denn doch zu weit. Glaubt man etwa die Kinder weniger gefährdet, wenn sich der gesteigerte und schrankenlose Wagen- und Automobilverkehr durch den breiten Boulevard wälzt? Oder soll man keine Bäume mehr an den Wegen pflanzen, weil der rücksichtslose Sturm bisweilen einen Stamm entwurzelt oder die Äste zur Erde fegt? Dann dürfen wir auch keine