Heft 
(1908) 17
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Robert Mielke.

unseren Raumbedürfnissen als Mietshäuser durchaus nicht widerstreben und einer maßvollen Ausnutzung leicht anzupassen sind, beweisen die dreistöckigen Gebäude, die man in der inneren Stadt leider nicht zum Vorbild genommen hat.

Uber die Entstehung der friderizianischen Städtekuust sind wir einigermaßen unterrichtet. Wir wissen, daß irgend ein Stich bei dem Könige den Wunsch hervorrief, ein gleiches Bauwerk in seiner Residenz zu haben. Oder er wählte, wenn er nicht selbst einen augenblicklichen Einfall zu Papier brachte, aus den Skizzen seiner Baumeister, die er teilweis auf weite Studienreisen sandte, Geeignetes aus, oder er ließ sich von ihnen Entwürfe für bestimmte Aufgaben machen. So sind die ver­schiedensten Einflüsse in Potsdam zusammengekommen, ohne daß dabei etwas Unzusammenhängendes oder Unkünstlerisches hervorging. Das Geheimnis dieser Kunstwirkung liegt in dem feinen Taktgefühl der Baumeister, und in der ausgezeichneten Handwerksüberlieferung, die für alle einzelnen Bedürfnisse ihre Formen hatte, die sie oft stereotyp, oft mit sicherem Gefühl für die Wirkung, nie aber unsinnig an wenden ließ. Für einen oberflächlichen Beobachter, der mit stilistischen Voraus­setzungen oder mit einer durch großstädtische Mietshaustypen stumpf gewordenen Empfindung an die Potsdamer Bauweise herantritt, äußert sie sich vielleicht nur als starre Einförmigkeit, für feiner Empfindende jedoch in den leisen Variationen derselben Melodie, die jedes Haus zu einem Sonderwesen machte, ohne sie in ihrer Gesamtheit zu stören. Selbst ein ganz schlichter Nutzbau, der auf jeden Zierrat verzichtet und nur durch die wohlabgewogenen Verhältnisse wirkt, fügt sich dabei wie ein ärmerer Bruder dem reicheren Nachbarhause an. Die Kleidung ist anders, aber die Familienähnlichkeit mildert die Unterschiede.

An einer Stelle des Kanales kann man wie auf einem Auszuge die ganze Skala übersehen, in der sich die Kunstanschauung des Königs ausdrückte. Es sind das jene 5 Wohnhäuser, die der König als Versuchs­bauten für das Neue Palais hatte aufführen lassen (Am Kanal 4045). Unterzieht man sie einer näheren Betrachtung, dann findet man bald, daß es dieselben Töne sind, die in mancherlei Variationen in den Straßen­bildern Potsdams weiterklingen, nicht immer in gleicher Stärke, wohl aber in gleichem Wohllaut.

An dem Potsdam Friedrichs des Großen ist seit seinem Dahingaug verhältnismäßig wenig verändert worden; nur ein größerer Brand hat Ende des 18. Jahrhunderts eine Anzahl der Häuser vernichtet, die aber im Geiste ihrer Zeit schlicht und mit merklicher Beeinflussung durch das Empire aufgebaut worden sind. Erst die allerjüngste Zeit hat in größerem Maße neue Gebäude in die Reihen der alten Bürgerhäuser gestellt. Noch unter Friedrich Wilhelm II. und seinem Nachfolger sind bürgerliche Wohnhäuser entstanden, die aber noch ganz unter dem