Das alte nnd neue Potsdam.
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Einflüsse der guten alten Überlieferung stehen. Besonders hat Friedrich Wilhelm III. die Stadt geschmückt und durch die machtvolle Kuppel der Nikolaikirche dem Stadtbilde eine harmonische Ergänzung hinzugefügt, die sehr wirkungsvoll ist, wenn, sie aus der Tiefe irgend einer Straße unvermittelt über den Dächern auftaucht, die aber auch, wenn man vom Osten her das Stadtbild betrachtet, das prachtvolle Architekturpanorama zu einer grandiosen Steigerung bringt. Überhaupt das Stadtbild! Ich kenne nur zwei Stadtbilder in Deutschland, die sich an klangvoller Harmonie der Linien mit Potsdam vergleichen lassen: Das ist Dresden, etwa gesehen von der Elbeisenbahnbrücke, und Würzburg, wenn man von dem nordwestlichen Mainufer die Architektur-Symphonie betrachtet. Beide gehören in ihren charakteristischen Bauten derselben Zeit wie Potsdam an; beide sind in ähnlicher Weise durch die offene Hand fürstlicher Mäcene gefördert worden.
Bis zu einem gewissen Grade widerstreben sich die aristokratischen, auf fürstliche Anregung hervorgegagenen Stadtbildungen und die mit anderen Mitteln arbeitende Verwaltung eines modernen Städtewesens. Das zu leugnen, hieße Vergangenheit und Gegenwart verkennen; aber dieser innere Gegensatz findet ebenso wenig einen äußeren Ausgleich der Kunstformen, wie er aus einem kaiserlichen Rom ein päbstliches Kunstzentrum verhüten konnte.
Fragen wir nun, wie das Hohenzollernerbe in Potsdam gehütet worden ist, so fällt die Antwort nicht ganz zufriedenstellend aus. Zugegeben sei ohne weiteres, daß unser Auge für den drohenden Verlust der altpotsdamer Kunst erst in den letzten Jahren geschärft worden ist, und daß für manche der von Friedrich dem Großen erbauten Wohnhäuser die Notwendigkeit für eine Annäherung 'an neuzeitliche Wohn- bedürfnisse anerkannt werden muß. Indessen entbindet das alles nicht die Gegenwart von der Verpflichtung, das, was noch vorhanden ist, nach Möglichkeit zu erhalten, sowohl aus Gründen der Pietät wie aus solchen der Kunst. Es sind viele Gefahren, die die bürgerlichen Bauten Potsdams bedrohen; namentlich sind die kleinen Wohnhäuser in den wenigen Verkehrsstraßen gefährdet. Ein solches Gebäude ist in erster Linie Wohnhaus; wird es aber zu einem Mietshaus, aus dem der Besitzer möglichst viel herausschlagen will, so wird er der Versuchung, eine nackte Mietskaserne an seinen Platz zu stellen, schwer wiederstehen können. Auf diese Weise entstehen dann jene Zerrbilder von Straßenfronten, welche die Brandenburger-, Kaiser Wilhelm-, Charlotten- u. a. Straßen bös verunstaltet haben. Die großen würfelförmigen Steinklötze mit ihren verkümmerten Wand- und Dachkonstruktionen sind nicht nur ohne jeden Kunstwert, sondern sie beeinträchtigen auch die benachbarten frideriziani- schen Häuser in ihrer künstlerischen Wirkung. Auf der anderen Seite sind es die Geschäftsläden, welche ohne Rücksicht auf feine Linien und Maß Verhältnisse angelegt werden. Daß sie vermieden werden, ist nicht