Das alte und neue Potsdam.
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Voraussetzungen ausgegangen war. Der Übel schlimmstes ist es mindestens, daß nirgends Handhaben vorhanden waren, die Bauausschreitungen einzelner zu verhüten. Hätte man sie zur Seite gehabt, dann wäre wohl die Stadt von solchen architektonischen Ungeheuerlichkeiten, wie sie in einzelnen Warenhäusern das Bild beeinträchtigen, verschont geblieben. Einzelne Straßen, die Junker-, Brandenburger- u. a. Straßen, sind durch solche Baukolosse, denen man nicht einmal einen Überschuß von künstlerischer Kraft nachrühmen kann, geradezu vernichtet worden in ihrer architektonischer Entwicklung. Nur schwer kann man den Wunsch unterdrücken, daß die wenigen dem Abbruch noch entgangenen alten Gebäude nun auch recht bald verschwinden mögen, um nicht durch ihre Anwesenheit die einst bessere künstlerische Vergangenheit zu verraten.
Je näher wir unserer Zeit kommen, um so unerfreulicher wird das Bild, um so kläglicher das, was man in den Wohnhäusern darzubieten wagt. Bisher hat uns nur die innere Stadt, das geschichtliche Potsdam, beschäftigt. Hier sind gewisse ästhetische Maßstäbe vorhanden, um eine neue Schöpfung von vorn herein einem nicht ungefährlichen Vergleich auszusetzen. Anders ist es in den Vorstädten, in denen sich eine neue Ze it nach eignen künstlerischen Gesetzen selbständig hätte bezeugen können. Die landschaftlichen Bedingungen waren günstig und die vorbildlichen Bauten Friedrich Wilhelms IV. geeignet, dem geschichtlichen Potsdam ein neues eigenartiges zu umgliedern. Was dabei heraus- gekornmen ist, zeigt sich in schönster Reinkultur in der Berliner Vorstadt, die, von der alten Berliner Heerstraße abgesehen, die Gelegenheit zu einer modernen Stadtanlage hätte geben können. Das rechteckige S traßennetz der inneren Stadt ist, wie wir gesehen haben, aus dem Geiste einer anderen Zeit heraus zu verstehen, die ihre architektonischen Voraussetzungen auch an den Boden zu stellen wußte. Bei der Berliner Vorstadt ist eine Stadterweiterung großen Stiles vorgenommen, bei der jede Rücksicht auf die Vorzüge des Geländes vermieden worden ist. Daß das halbinselfimnige Gebiet an seiner schmälsten Stelle durch einen Kasernenbau fast vollständig von dem älteren Potsdam abgeschnürt ist, läßt sich allenfalls rechtfertigen, da die geschichtliche große Straße südöstlich an diesem Baublock vorüberstreicht. Was aber ein moderner Städtekünstler hier hätte für prachtvolle Städtebilder entwerfen können, lehrt uns ein Umblick in der Fachliteratur, in der von Männern wie Camillo Sitte, Henrici und Stübben eine neue Ära in der Städtebaukunst geschaffen wurde. Hier in der Berliner Vorstadt ist das Schema der Gradlinigkeit ohne zwingenden Grund auf Verhältnisse übertragen, die ihrer ganzen Natur nach auf eine wohnliche Anlage drängten. Die breiten geraden, meistens rechteckig geschnittenen Straßen haben zwar das Schema des alten Potsdam äußerlich bewahrt; da aber keine Ergänzung auch für die Bauweise selbst veranlaßt wurde, so zeigt sich