Heft 
(1908) 17
Seite
25
Einzelbild herunterladen

Das alte und neue Potsdam.

25

sogenannte Renaissance oder um eine Gotik handelt, d. h. um eine solche, wie sie der Architekt verstanden hat, immer dasselbe Aufgebot von Scheinarchitektur, Maßstablosigkeit und Surrogatflitter, immer dasselbe Bild von künstlerischem Unvermögen und Baugewerksschulendrill, das

uns verfolgt. Selbst bei ganz modernen Häusern, bei denen zweifellos begabte Ar­chitekten mitgewirkt haben, drängt sich dieser Zug nach Un­wahrhaftigkeit und de­korativer äußerlicher Fülle vor, der seine Natur um so weniger verbergen kann, je un­mittelbarer er räum­lich zu dem schlichten Vorbilde frideriziani- scher Wohnarchitektur

steht. Selbst der mit einem großen Aufgebot der allermodernsten Formen und mit zweifellosem Geschick für Wirkung errichtete Bau, erweist sich oft als Phrase, sowie er in die gefährliche Nachbarschaft echter Kunst gerät; auch er kommt nicht über die Schwächen des Auf­teilungsplanes hinweg.

Ich will diesen kur­zen Überblick über die Tendenzen der jüngsten Potsdamer Baubewegung nicht beenden, ohne nicht noch einiger Bauwerke zu gedenken, die beweisen, daß unsere Zeit auch Künstler hervorbringen kann, nicht nur Bauunternehmer, welche die Er-

Abb. 17. Berliner Vorstadt.

Abb, 18. Burggrafenstraße.

Stellung eines Hauses in der Regel garnicht mehr als eine künstlerische Aufgabe erfassen. Der Architekt, welcher den nötigen künstlerischen Takt besitzt, braucht sein Können nicht in stilgeschichtliche Fesseln zu schlagen, wenn er das nötige Verständnis bei seinem Bauherrn findet. Daß auch diese