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Robert Mielke.
noch in Potsdam vorhanden sind und sich damit zu der Kunstanschauung des großen Königs bekennen, beweisen mehrere Häuser in dem Holländischen Viertel, die als Anzeichen einer besseren Bauzukunft der Stadt gewertet werden dürfen. Was sie besonders wertvoll macht, ist der gelungene Versuch, die durch den Bauplatz nahegelegte geschichtliche Formenwelt in einem modernen Geiste selbständig zu verarbeiten. Wird dieser Weg, der übrigens — wenn auch spärlich — bei neueren fiskalischen Bauten mit Erfolg beschritten ist, weder verfolgt, dann erblüht dem königlichen Potsdam vielleicht noch einmal eine schönere Zukunft, als sie die übrigen Anzeichen aus den letzten beiden Jahrzehnten deuten wollen^ Freilich wird man dann auch den bisher fast schrankenlosen Zerstörungen in der inneren Stadt etwas Einhalt gebieten müssen. Ob dies durch ein besonderes Ortsstatut, das durch das neue Verunstaltungsgesetz vom 15. Juli 1907 nahegelegt, aber durch das schon vorhandene königliche Fassadenrecht in seiner Wirkung beeinträchtigt wird, dürften erst eingehende Verhandlungen ergeben. Jedenfalls aber werden die königlichen und städtischen Behörden vereint leicht einen Weg finden, um die ärgsten Bauausschreitungen, sowie die entstellende Reklame hintenanzuhalten. Das sind indessen nur äußere Mittel gewissermaßen Grenzmarken, bis zu der sich die Verwüstung eines der schönsten Städte Deutschlands wagen darf; die wirkungsvollste Grundlage werden sie erst gewinnen, wenn die Bewohner der Stadt Potsdam von sich aus bereit sein werden, das Erbe Friedrichs des Großen und anderer Hohenzollernfürsten zu behüten. Und wenn diese Worte dadurch, daß sie die gröbsten Gefahren einmal öffentlich erörtern, dazu ein klein wenig beitragen könnten, wenn sie insbesondere zu einem Nachdenken über den großen unwiederbringlichen Verlust führen, den das Stadtbild durch eine etwaige Zuschüttung des Kanals erleiden muß, dann haben sie ihren Zweck vollauf erfüllt.
Aufruf.
Die erfreulicherweise im steten Fortschritt begriffene Verbesserung der Schulbildung, die starke Vermehrung der Tageszeitungen und ihr niedriger Preis, das Recht der Freizügigkeit und die Erleichterung des Verkehrs durch Einrichtung zahlreicher und nicht teuerer Verkehrsgelegenheiten leisten der Ausbreitung der .hochdeutschen Schriftsprache wesentliche Dienste, verdrängen aber naturgemäß die Dialektsprache unserer Landbewohner oder versetzen sie wenigstens stark mit hochdeutschen Bestandteilen. Nirgends tritt diese Erscheinung deutlicher hervor, als in der Umgebung Berlins, ja in der ganzen Provinz Brandenburg. Wenn diese Entwicklung auch ebenso natürlich wie