Heft 
(1908) 17
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Aufruf.

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erfreulich ist, so mahnt sie doch alle die, welchen Sprachforschung und Volkskunde am Herzen liegen, der Verdrängung der Dialektsprache nicht abwartend zuzusehen, sondern für die Aufzeichnung der verschwindenden Dialekte Sorge zu tragen. Nur vereinzelt sind bisher Dialekte unserer Provinz schriftlich festgelegt, sei es, daß sich Dichter ihrer heimischen Mundart bedienten, wie HermannGräbke in seinenPrignitzer Kamellen un Hunnenblömer, sei es, daß Sammler von Sagen und volkstümlichen Gebräuchen diese in der Sprache ihres Entstehungsortes veröffentlichen, wie A. Kuhn und W. Schwartz in ihrenMärkischen Sagen und A. Engelien und W. Lahn in ihrer Sammlung:Der Volksmund in der Mark Brandenburg.

Wir halten es deshalb für eine nicht abzuweisende Aufgabe, ja für eine Ehrenpflicht unserer Gesellschaft, eine möglichst vollständige Sammlung von Proben der in unserer Provinz gebräuchlichen Dialekte zu erstreben und in unserem Archiv oder in sonst geeigneter Weise zu veröffentlichen, zunächst als Material für eine später vielleicht in Angriff zu nehmende, zusammenfassende Arbeit über die Dialekte der Provinz Brandenburg. Diese Aufgabe aber können wir nur lösen unter dem tatkräftigen Beistand unserer auswärtigen, auf dem Lande lebenden Mitglieder und aller der Persönlichkeiten, die für die Bedeutung der Erkenntnis unserer Volkssprache Verständnis und Interesse sowie Gelegenheit haben, den gesprochenen Dialekt zu hören. Daß der, welcher den Dialekt einer Gegend in möglichster Reinheit und Ursprünglichkeit hören will, sich nicht an die jungen, sondern an die alten Leute wenden muß, ist nach den obigen Ausführungen selbstverständlich. Jede Auf­zeichnung, die den Dialekt einer Gegend wiedergibt, wird uns lieb sein, gleichviel, welches ihr Inhalt ist. Immerhin möchten wir darauf hin- weisen, daß volkstümliche Stoffe, besonders Sagen, Märchen, Sprüche, Kinder- und Spielreime, Rätsel und Scherzfragen, ganz besonders aber anekdotenartige kleine Geschichtchen, die am Orte geschehen sein sollen oder erzählt werden, sich zur Wiedergabe in der Mundart des Ortes eignen. Dieselben Wörter und Wendungen gehen hier meist von Geschlecht zu Geschlecht, und man hält mit einer Treue daran fest, daß das Ein­dringen hochdeutscher Elemente hier fast ausgeschlossen ist. Aber auch bereits gedruckte Aufzeichnungen in märkischem Dialekt, poetische und prosaische, sind für uns wertvoll, und die Nachweisung derselben wird mit Dank angenommen. Wenn die Aufzeichnungen in wenig verbreiteten Tageszeitungen veröffentlicht sind, ist die Zusendung der einzelnen Nummern sehr erwünscht. Da die schriftliche Fixierung des Dialektes nicht geringe Schwierigkeiten bietet und andererseits eine möglichst genaue Wiedergabe der Laute für unsere Zwecke unumgänglich nötig ist, geben wir eine kurze Anleitung zur mundartlichen Schreibung der Wörter am Schlüsse dieses Aufrufs.