Heft 
(1908) 17
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Kleine Mitteilungen.

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37 Glocken betraut wurde. Als demnächst Spandau in jenem gewaltigen Brande von 1740 seine sämtlichen Turmglocken (3 Läuteglocken, 2 Uhr­glocken und 1 Chorglocke) einbüßte, wandte man sich zur Beschaffung von zunächst zwei neuen Uhrglocken an den bekannten Gießer Johann Jacobi in Berlin; er lieferte sie, indem er sie aus jenen ihm zurückgegebenen und von ihm zurückgestelltenSingspielglocken entnahm. Mit anderen Worten: die beiden Uhrglocken von St. Nikolai,die noch heute, nach 160 Jahren, über Stadt und Gemeinde hin mit treu bewährter Stimme die verrinnende Zeit verkünden, sind Glocken aus dem ersten Glockenspiel der Parochial-Kirche zu Berlin. Diese Ausführungen erhalten ihre wesentliche Unterstützung durch die in der Sitzung des Vereins für die Geschichte Berlins vom 25. 11. 1905 (Vortragender Herr Eugen Thiele) angeführte Fest­stellung: Jacobi habe durch Zurückstellung jener Singspielglocken keinen pekuniären Nachteil gehabt, da er die Glocken anderweitig sogar mit Vorteil verwenden konnte; ihr entspricht ferner die Ähnlichkeit der figürlichen Aus­schmückungen der Uhrglocken mit den zu derselben Zeit von demselben Jacobi gegossenen, noch heute vorhandenen, Turmglocken der Parochial- Kirche; ihr entspricht endlich vor allem die lateinische Inschrift der großen Uhrglocke (die Glockensprache):Und zwar bin ich (campana, die Glocke) allemal die tiefste, die erste meines Geschlechts, meiner Art, meiner Klasse. Es gibt kaum eine zweite Glocke, die mit nur 720 Millimetern Durchmesser den verhältnismäßig tiefen Ton des kleinen c hervorzubringen imstande wäre. Jene Uhrglocke war die tiefste im Glockenspiel der Parochial-Kirche (mit dem c der kleinen Oktave beginnt übrigens auch das heutige Glockenspiel dieser Kirche) und darum die erste, schwerste, am tiefsten hängende, die führende in ihrer Art, im Kreise, im Spiel der übrigen Glocken, zugleich der Nachwelt verkündend:Ich bin die tiefste und die erste, die der Meister in derartigen Abmessungen und in solcher Tontiefe für ein Glockenspiel goß. Diese Ausführungen über die Glocken von St. Nikolai erfahren durch vorstehende Darlegungen eine ebenso überraschende als bedeutsame Er­klärung und Ergänzung. Wenn die Kirchenchronik erzählt:Aus dem nach dem großen Brande von 1740 geretteten und gesammelten Glockenmaterial wurden bald darauf zwei neue Uhrglocken im Gewicht von 27 Zentnern 1 Pfund, bezw. 10 Zentnern 37 1/ 2 Pfund für 349 Thlr. 16 Gr. 11 Pf. gegossen, so kennen wir jetzt den Gießer, Johann Jacobi, der unter Übernahme des ge­retteten Glockenmaterials aus der Zahl der ihm seinerzeit zurückgegebenen und von ihm zurückgestellten Singspielglocken die beiden Uhrglocken für St. Nikolai zu dem angegebenen Preise lieferte. Über die anderweitige Ver­wendung derübrigen Singspielglocken (die eine und die andere mag um­gegossen sein) wissen wir nichts: Die beiden Spandauer Uhrglocken, die 1740 dorthin übergeführt, nach 1744 in dauerndem Gebrauch alsSchlag­glocken genommen, haben ihre ursprüngliche Gestalt, wie sie aus dem Guß von 1704/1705 hervorgingen, unversehrt bewahrt; sie verkünden noch heute mit singenden Tönen, und zwar hier in schöner Abstimmung (g, tief c) die Zeiten. Was schließlich die in der Chronik notierten Gewichts- und Preisbemessungen anbetrifft, so ist auch hier die mit einem Fragezeichen gekennzeichnete Differenz aufs beste gelöst. Die angegebenen Zentner sind