Heft 
(1908) 17
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21. (8. ordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.

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niemals beobachtet worden sind, sich eingestellt haben. Ich bewohne das Haus Paulstraße 4 in Moabit seit über 20 Jahren und bin in meiner Wohnung niemals durch Mücken belästigt worden. Diesmal aber von Mitte November bis in den Februar hinein.*) Wir Bewohner dieses Hauses sind wiederholt um Weihnachten herum empfindlich gestochen worden und dies wäre noch viel öfter geschehen, wenn die Mücken sich nicht durch lautes Summen zumeist verraten hätten. Andere Leute, in deren Wohnungen im Sommer ab und zu wohl Mücken gelangen, wundern sich mit Recht, daß die empfindlich stechenden Unholde im Winter so energisch aufgetreten sind. Ich habe Herrn Prof. Dr. Dahl um eine Erklärung des Phänomens gebeten, die aber noch aussteht und möchte mir die Sache folgendermaßen einstweilen zurecht legen. Daß manche Insektenarten, besonders auch Schmetterlinge, verspätet in Vereinzelung auftreten, ist männiglich bekannt, dagegen bedarf ein so weit aus­gedehntes und ungewöhnlich massenhaftes Auftreten auch eine ungewöhn­liche Ursache. Ich vermute, daß der abnorm warme Oktober 1907 die Tiere aus ihren Winterverstecken hervorgerufen und sie zu einem direktionslosen Herumfliegen veranlaßt hat; auf diese Weise sind sie in Gegenden gelangt, wo sie sonst nicht zu hausen pflegen.

Von dem massenhaften Überwintern der Stechmücken habe ich in Altenhof am Werbellinsee vor einigen Jahren ein recht drastisches Beispiel gelegentlich einer Pflegschaftsfahrt des Märkischen Museums gesehen. Wir besichtigten im Spätherbste das Tonnengewölbe der bei der K. Försterei belegenen Ruine mit Licht. An der Decke des Gewölbes hing etwas wie ein dichter Schleier; bei näherer Beleuchtung gewahrten wir, daß das eine ungeheure Anhäufung von überwinternden Mücken war. In solcher Weise verstecken sich diese Zweiflügler gern; in Rom hatte man mir öfters gesagt, es sei längst beobachtet, daß in den Keller­gewölben der Malaria-Stadtgegenden Stechmücken häufig Vorkommen, niemand war aber, vor Koch, zu der Überzeugung gekommen, daß diese überwinternden Mücken die gefährlichen Verbreiter der Malariafieber sind. Herr Stadtbaurat Krause teilte mir bei Besichtigung der noch nicht in Betrieb gesetzten Entwässerungskanäle des XI. Radialsystems (Oberstadt von Berlin) mit, daß sich darin im Spätherbst und Winter vor, bezw. dieses Jahres an den Gewölbedecken unermeßliche Mücken­schwärme angesiedelt hätten.

Die Zeitungen und Zeitschriften haben sich mit der dieswinterigen Mückenplage in zahlreichen größeren und kleineren Artikeln beschäftigt und auf die Belästigung hingewiesen, die infolge dessen im laufenden Jahre 1908 während der eigentlichen Flug- und Stechperiode der Mücken

*) Einzelne stechende Mücken sind sogar noch in meinem Haus im April 1908 beobachtet worden nach vorangegangenen warmen Tagen. (Nachträglicher Zusatz).

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