Heft 
(1908) 17
Seite
59
Einzelbild herunterladen

21. (8. ordentliche Versammlung des XVI. Vereins]ahres.

59

Es ist fast mit einer gewissen Errichtung, daß man die Wichtigkeit hatte sich vermindern sehen, welche vordem der Ablagerung von Thenay zugestanden wurde, die dem Aquitanien, d. h. dem oberen Oligocän, zugeschrieben wird und nun kommt die Nachricht von einer oligocänen Menschlichkeit, die noch älter als die von Thenay ist, präcis und zwingend. Das verblüfft natürlich unsere alten Ideen vom Abschluß des Menschen mit dem Quaternär. Dann hat man sich mit dem Pliocän-Menschen vom Kent-Plateau und noch weiter mit dem vom oberen Miocän verstän­digen müssen, Zeitgenossen des Mastodon, des Hipparion und des Dryopithecus. Und nun sollen wir uns brüsk und mit einem Sprung vom obern Miocän mit der Menschlichkeit des mittleren Oligocän befreunden, und das werden wir müssen, vorausgesetzt, daß eine andere Interpretation nicht möglich ist.

Eine solche Bedenklichkeit ist fortan aber nicht möglich angesichts der Entdeckung der Industrie der recenten Tasmanier, wie sie uns in den Funden des Dr. F. Noetling vorliegt.

Herr R. zeigt nun, daß die Eingeborenen von Tasmanien bis zu ihrem Aussterben vor einigen Jahrzehnten ganz ähnliche Eolithe und Werkzeuge, wie die vonles Gonhir pp. gebraucht haben.

Die Übereinstimmung ist in der Tat, wie Sie aus den Abbildungen ersehen wollen, recht einleuchtend. Der als einer der eifrigsten deutschen Erforscher des Urmenschen Ihnen allen längst wohlbekannte Herr Dr. Klaatsch, Professor an der Universität Breslau, hat dergleichen Stein­sachen von Tasmanien und vom Festlande Neuhollands auf seiner letzten australischen Reise gesammelt und wird sie in einer Extrasitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie mit belgischen Stücken zusammen vorlegen. Bei dieser Gelegenheit wird Herr Geh. Hofrat Prof. Dr. Penck, Direktor des hiesigen Institus für Meereskunde, über das Alter des Menschen sprechen und wir werden mit gespannter Erwartung hören, wie diese beiden ausgezeichneten Forscher, die aber bislang in diesen Fragen des Ur- und Vormenschen nicht überall derselben Meinung zu sein scheinen, sich miteinander verständigen werden. Auch wenn eine solche Verständigung nicht erzielt wird, vielmehr das Schlußurteil noch in suspenso bleiben muß, schadet das nichts; im Gegenteil werden da­durch nur die Streitpunkte für die wissenschaftliche Nachprüfung um so klarer abgesondert und ins Licht gestellt werden.

Ich kann aber nicht unterlassen, schon heute auf zwei Punkte auf­merksam zu machen, welche von großer Wichtigkeit sind, die man aber vor der Öffentlichkeit des. wissenschaftlichen Forums noch nicht er­örtert hat.

Zunächst, wenn Sie die schönen Rutotschen Abbildungen nochmals sorgfältig durchmustern, so werden Sie sofort bemerken, das sich Eolithe im engern und eigentlichen Sinne darunter überhaupt kaum befinden.