21. (8. ordentliche') Versammlung des XVI. Vereinsjahres.
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wo allgemein Sauerkraut gesagt wird und die Bezeichnung Sauerkohl unüblich ist.
Der Sauerkohl und das Sauerkraut hat seine größte Bedeutung im Slavenlande bis tief in Rußland hinein, wo man Sauerkohlsuppe herstellt und Pirogen (Pasteten) mit Sauerkohl füllt. Hauptsächlich von dort ist der Sauerkohl und das Sauerkraut nach Groß-Deutschland mit Ausnahme der Meeresküsten vorgedrungen.
Die Refugies haben, wie ich wiederhole, mit diesem deutsch-slavischen Nationalgericht keinerlei Fühlung. In Frankreich ist das Gericht wahrscheinlich hauptsächlich von Elsaß aus verbreitet, aber nirgends volkstümlich geworden. West- und Ost-Preußen, wo der Sauerkohl Kumst heißt, hat mit Rußland die Besonderheit der Sauerkohlsuppen (Kumst- suppen) gemeinsam, ebenso Posen, während man in Brandenburg das Gericht nicht kennt. Das russische Wort für Kohl „Kapust“ scheint mit dem lateinischen Wort „Caput“ Kopf, Haupt (daher Kolil-Kopf) zusammenzuhängen. Desgleichen der Ausdruck „Kabisz“, „Kabis“ soviel als Weißkohl im oberdeutschen und rheinischen Sprachgebiet. Grimm, Wörterbuch sagt unter Kohl: „brassica, wort und Sache von den
Römern entnommen, wie die gemüse fast alle (s. unter kabise), von lat. caulis und cölis in., kohlstengel, kohl, eig. stengel überhaupt (gr. xavXcg, vgl. sp. 676). nach der ersten form (Diez 95) it. cavolo, prov. caul, port. couve, franz. chou, span, col, kymr, cawl, breton. kaol.“
Die Niederländer haben die Bezeichnung „zaurkool“, die Italiener, wie schon erwähnt, „cavoli insalati“, also eigentlich eingesalzener Kohl, aber auch nach dem Deutschen „salkraut“; die Dänen sagen „Suurkaal“, die Schweden „Surkal“; die Engländer besitzen kein eigenes Wort, sondern sagen „pickled cabbage“ (eingemachter Kohl), oder nach dem Deutschen „sourcrout“.
Um das schier unerschöpfliche Kohl-Thema zu einem gewissen Abschluß zu bringen, will ich noch einmal die Bezeichnung „Kums, Kumps, Kumpst, Kampst“ für Sauerkohl erwähnen. Der Ausdruck kommt her vom Lateinischen „Compositum“, bedeutet also etwas Zusammengesetztes, Gemengtes, Eingemachtes. (Auch der Dunghaufen mit seinem Durcheinander von Mist und Abfällen heißt bekanntlich in der Land Wirtschaft Kompost). Der Kohl heißt botanisch Brassica oleracea Linne die Bezeichnung Brassica kommt schon bei Cicero vor.
Was die Heimat des Kohls angeht, so wächst er an den Küsten Westeuropas wild, insbesondere auf den englischen Kanalinseln Gnernsey, Jersey u s. f. wo er mannshoch wird und die Stengel zu leichten und
doch dauerhaften Spazierstöcken verarbeitet werden. Mir gehört ein solcher Kohlspazierstock und ich weiß, daß Victor Hugo, als er ein Verbannter auf jenen Inseln wohnte, sich eines solchen Spazierstocks
mit Vorliebe bediente.