Heft 
(1908) 17
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22. (14. außerordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.

Doch mit dem bloßen Zuschauen und müßigen Herumspazieren durfte nicht allzuviel Zeit verloren werden, und namentlich einige junge Damen waren schon sehr tätig. Die beiden Schwestern Liskow zum Beispiel hatten sich jede einen zierlichen Stand ausgewählt, um Postkarten zu verkaufen und um ihre Mitmenschen zum Würfeln zu verleiten. Und in den Trubel selbst mischten sich Fräulein Rönnebeck und Fräulein Friedel, um kleine Scheiben zu verkaufen, auf die jeder später am Scheibenstand seine Treffsicherheit erproben konnte. Je mehr sich der Saal füllte, desto bunter und farbenprächtiger wurde das Bild und immer verlockender klang die Musik, so daß einige Pärchen den Lockungen nicht widerstehen konnten und sich schon im Tanze drehten.

Nachdem auf diese Weise eine Stunde ausgefüllt war, schritt die Gesellschaft zu Tisch und verteilte sich in dem großen Saal an fünf langen Tafeln. Die Pausen zwischen den Gängen wurden durch Toaste, Vorträge und Gesang ausgefüllt.

Die erste Ansprache hielt der I. Vorsitzende Geheimrat Friedel.

Hochverehrliche Versammlung! Es gereicht mir zur Ehre und Freude, Sie alle, verehrte Anwesende, zum heutigen Stiftungsfeste zu begrüßen. Insonderheit wünscht der Vorstand, daß unsere werten Gäste mit uns ein paar frohe Stunden verleben mögen. Unsere heutige Ver­sammlung ist der Geselligkeit, diesmal nicht den Geschäften und der Wissenschaft gewidmet, trotzdem hat der um das Zustandekommen des heutigen Festes wohlverdiente Vergtiiigungsausschuß der Geschichte unserer Reichshauptstadt gedacht, wie Sie aus den Abbildungen auf der Einladung ersehen wollen. Da erblicken Sie zuoberst und an passendster Stelle ein Steinrelief: ein lediges schwarzes Roß angebunden und darüber schwebend einen Adler vom Hause Oranienburgerstraße 13/14*). Der Volksmund verbindet damit eine geheimnisvolle Sage, in Wirklichkeit handelt es sich um das Wahrzeichen einer Ausspanne des 18. 'Jahrhun­derts. Darunter befindet sich, recht geeignet für den heutigen Ausflug nach dem Grunewald, die Abbildung eines Jagd-Trinkgefäßes aus Silber für Malvasierwein. Der silberne Berliner Bär hat eine Falkentasche um den Leib, in den Pranken ein Radschloßgewehr, mit welchem er wohl einen Bock schießen will**}. Unten befindet sich ein Teil des Reliefbandes der Hauptsäule aus der alten Berliner Gerichtslaube***). Links darauf derAffe, vor dem wir uns heut abend zu hüten haben, in der Mitte

*) Vgl. Buehholz: Verzeichnis der im Mark. Prov.-Museum befindlichen Berlini­schen Alterthümer. 1890. S. 41. (Kat. X. 31.)

**) a. a. O. S. 52. (Kat. VI. 631). Mit zwei Inschriften R. C. 1467 und C. M. Richter 1684. Das Pistol ist wohl 1684 an Stelle einer vielleicht schadhaft gewordenen Armbrust getreten.

***) Original im Neuaufbau der alten Gerichtslaube in Babelsberg. Nachbildung in der Herrenstube des Berliner Ratskellers. Buchholz a. a. 0. S 19. (Kat. X. 315).