Heft 
(1908) 17
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24. (0. ordentliche Versammlung des XVI. Vereinsjahres.

Berliner Gesellschaft für Anthropologie pp. am 14. d. M. statt.*) Den nachfolgenden Bericht hat uns unser hochgeschätztes Mitglied Herr August Förster nach einem Referat von ihm zur Verfügung gestellt, welches am 16 imReichsanzeiger abgedruckt ist. Die Festlegung des Alters des Menschen auf der Erde erfordert zunächst die Lösung zweier Aufgaben: die Aufstellung einer Chronologie der geologischen Bildungen, in denen sich Reste des Menschen oder von ihm benutzte und bearbeitete Gegenstände finden, und die Prüfung dieser Zeugnisse von der Existenz des Menschen. Die zweite der Aufgaben ist die schwierigere. Für die erste haben die letzten Jahre Ergebnisse gebracht, die den Weg zur Auf­stellung einer Chronologie erschließen. Es hat nicht eine, sondern mehrere Eiszeiten gegeben. Man spricht gewöhnlich von drei; in Nord­amerika aber will man die Anzeichen von 5, auch 6 Eiszeiten gefunden haben. Für das Alpengebiet sind 4 durch Zwischeneiszeiten getrennte Eiszeiten nachgewiesen worden, die man zur bequemeren Unterscheidung mit den Namen von Flüßchen benannt hat, deren Talbildungen für die eine und andere der Eiszeiten besonders charakteristisch und beweisend sind. Danach heißt die älteste EiszeitGünz, die nachfolgendeMindel, die vorletzteRiß und die jüngsteWürm. Die drei Zwischeneiszeiten werden am geeignetsten als ältere, mittlere und jüngste Zwischeneiszeit bezeichnet. Es hat sich nun ergeben, daß Eiszeiten und Zwischeneis­zeiten von sehr verschiedener Dauer gewesen sind, daß es aber Mittel gibt, diese Dauer zu schätzen nach dem Maß der geologischen Arbeit, die geleistet worden ist, z. B. an den Fortschritten, welche die Tal­bildungen in den verschiedenen Zeiten gemacht haben, an der Tiefe und Länge der Täler. Freilich muß hierbei große Vorsicht angewandt werden; denn die Intensität der geologischen Kräfte kann in Raum und Zeit ge­wechselt haben. Talbildungen sind in den eisfreien Zeiten abhängig vom Gefälle des Wassers und von der Höhenlage des Landes in der Um­gebung. Gleichwohl ist ermittelt worden, daß die Alpenflüsse annähernd gleiche Arbeit in den gleichen Zeiten geleistet, gleiche Strecken einge­schnitten haben. Daß die Zwischeneiszeiten von recht verschiedener Länge gewesen sind, geht unter Berücksichtigung dieser Erscheinungen u. a. aus den geologischen Verhältnissen der Umgebung von Kaufbeuren hervor. Die Talbildungen zeigen hier, daß zwischen der zweiten und . dritten Eiszeit die größte geologische Arbeit geleistet worden ist, was eine entsprechend große Ausdehnung der mittleren Zwischenzeit wahr­scheinlich macht. Gleiches läßt sich auch noch auf andere Art beweisen,

*) Vgl. die inzwischen im Druck erschienenen Berichte in der Zeitschrift für Ethnologie, 40. Bd. 1908, S. 390 bis 436, welche für alle, die sich für die Ent­stehung und Entwicklung des Menschengeschlechts interessieren, von hohem Werte sind.