Heft 
(1908) 17
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j 2. (1. außerordentliche) Versammlung des XVII. Vereins]ahres.

Richtung der Wachtparade im Potsdamer Lustgarten hatte es eine be­sondere Bewandtnis. Es lagen da nämlich früher, schnurgerade aus­gerichtet, eine Anzahl Granitplatten, eine dicht neben der andern, am Boden, und mit deren Hilfe ergab sich spielend eine scharfe-Richtung, wenn der Soldat seine Stiefelspitzen in genaue Übereinstimmung mit der Vorderkante der Platten brachte. Ja auch die Breite der Platten soll eine willkommene Erleichterung dafür gewährt haben, daß die Grätsch­stellung, die im 18. Jahrhundert, nach dem bestehenden Exerzierreglement, der preußische Soldat beim Gewehr-Präsentieren einnahm, das richtige Maß einhielt, und die Beine nicht zu eng, auch nicht zu weit gespreizt wurden. Viele ähnlich interessante Erinnerungen wurden bei der Be­sichtigung der Innenräume des Stadtschlosses laut: Im Flur des Mittel­portals (Fortunaportals) die überlebensgroßen Marmorfiguren von Mars und Bellona, an die sich die pikante Notiz knüpft, daß die heidnischen Gottheiten bis 1740 ihren Platz in der Garnisonkirche hatten, um diese sinnfällig als für das Militär bestimmt zu kennzeichnen, das Schlaf­gemach und Bett Friedrichs II., (der wohl den Sommer im Schloß Sanssouci zubrachte, den Winter aber stets im Stadtschloß) mit an­schließendem behaglichen Frühstücks- und Speisezimmer, darin ein runder Tisch, dessen vertikal verschiebbares Mittelstück dazu diente, Speisen und Getränke in der einfachsten Art aus der Küche heraufzu­befördern, der länglich viereckige Arbeitstisch des großen Königs, mit schwerem, blauem Seidendamast bezogen, an dem auch Napoleon gesessen und von dessen Bezug er ein großes Stück abgerissen und als Andenken mitgenommen (man hat den Schaden nicht repariert, die klaffende Wunde des Überzugs erzählt dauernd von den feinen Sitten des korsischen Eroberers) zwei große Ölbilder, mythologische Gestalten darstellend, von Friedrich Wilhelm I. gemalt, wenn er von der Gicht geplagt war (in tormentis pinxit), die Figur einer Nymphe dadurch merk­würdig, daß sie infolge von Verzeichnung zwei linke Füße besitzt (den Schaden auszubessern hatte der König indessen lachend abgelehnt und hiermit auf die Nachwelt einen humoristischen Zug von sich überliefert). Auch Erinnerungen an die Königin Luise und an Friedrich Wilhelm IV. und Gemahlin birgt das Stadtschloß, vor allem aber eine große Anzahl schöner Ölgemälde erster Meister, darunter ein interessantes Doppel­porträt, Friedrich Wilhelm I. neben dem ihn körperlich weit überragenden August den Starken darstellend. Wer Barock in schönster Anwendung auf Innendekoration studieren will, ebenso, wer eine richtige Vorstellung von der Blüte des Rokoko zu gewinnen wünscht, dem kann nur geraten werden, im ersteren Falle die in der Zeit Friedrichs I. und seines Vaters entstandenen Räume des Stadtschlosses in Augenschein zu nehmen, im anderen die unter Anleitung Friedrichs II. im edelsten Geschmack ein­gerichteten Räume eingehend zu besichtigen. Recht dankenswert ist es