2. (1. außerordentliche) Versammlung des XVII. Vereinsjahres.
115
auch, auf die geniale Art aufmerksam gemacht zu werden, wie Friedrich der Große durch seinen Baumeister Knobelsdorf die vorher etwas einförmige Fassade des Schlosses durch Anbringung von Pilastern verschönern ließ. — Auf der ferneren Wanderung durch Potsdam wurden eine Anzahl von Bauten gezeigt, die teils von den mehrgenannten beiden Königen erbaut, teils wenigstens unter ihrem Einfluß entstanden waren. Der Vergleich der Neubauten hiermit bestätigt in vielen Fällen, namentlich bei Privatbauten, eine fast barbarisch anmutende Abirrung von dem guten Geschmack der Vorbilder, nur die modernen fiskalischen Bauten machen hiervon zumeist eine erfreuliche Ausnahme. Eine Schöpfung Friedrich Wilhelms I., das 600 Zöglinge beherbergende Militärwaisenhaus wurde eingehend besichtigt und mit Vergnügen von seiner trefflichen Einrichtung und dem gesunden Aussehen der Knaben Vormerkung genommen. In den frühen Nachmittagsstunden hörte man dann in den Räumen der Heiligengeist-Kirche einen interessanten Vortrag über die wechselvolle Geschichte dieses seltsam verbauten Gotteshauses. Daran schloß sich außerhalb auf dem Kirchplatz noch der Vortrag eines anderen ortskundigen Begleiters, der fröhlichen Anklang bei der Zuhörerschaft fand. Danach ließ der praktische König Friedrich Wilhelm I., der Erbauer der Kirche, unter dieser einen Weinkeller anlegen, um die in den Königlichen Weinbergen in der Nähe von Potsdam gewonnenen Weine in großen Stückfässern aufzunehmen. Diese Weine fanden aber geringen Beifall bei Hofe, sodaß der Keller sich mit der Zeit mit älteren und jüngeren Jahrgängen davon füllte. Da beschloß der König, den Wein an seine Riesengarde zu verschenken, jedem Grenadier sollte eine Gamelle davon aus dem Faß abgefüllt werden. Der Kommandeur hatte den Königlichen Befehl auszuführen. Da er aber fürchtete, daß die Leute sich betrinken würden, und andererseits den Wein so gut fand, daß ihn diese Ausantwortnng eines guten Tropfens an Kehlen, die an ein kratzigeres Getränk gewöhnt waren, verdroß, so ließ er zwar Mann für Mann mit ihren Eßgeschirren zum Weinempfang im Keller antreten, kaufte draußen aber den Leuten den Wein wieder ab. Im weiteren wurde dem Theater mit seiner wunderlichen Inschrift „Dem Vergnügen der Einwohner“ ein flüchtiger Besuch gemacht (es bildet fast die einzige Potsdamer Erinnerung an Friedrich Wilhelm II.), ferner wurden die frideri- zianischen sowie die modernen Kasernen von außen besichtigt, und am Kanal die Frage erörtert, ob seine angeblich beabsichtigte Beseitigung nicht dem Stadtbild Potsdams einen seiner anmutigsten Züge rauben würde? Am alten und neuen holländischen Viertel wurde dann noch ein Vortrag von Dr. med. Netto entgegengenommen, der die Entstehung dieser Anlage und die damit verbundenen Absichten Friedrich Wilhelms I. erläuterte. Es war die berechtigte Vorliebe für die damals den brandenburgischen Kulturzuständen überlegenen holländischen, welche diese Nachahmung
8 *