3. (2. ordentliche) Versammlung des XVII. Vereinsjahres.
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Petri-Kirche in Berlin Zusammenhang!. Es entstanden Lohnstreitigkeiten unter den Bauarbeitern und eine Revolte, und Friedrich Wilhelm I. schrieb auf den Rand einer ihm nach Königswusterhausen nachgesandten Depesche: „Sollen Rädell Führer hengen ehe ich komme“; wofür man in Berlin las „Rädel früher hengen“. Über Friedrich Wilhelm 1. handelt auch die historische Novelle: „Der König ein Maler“.
Ferner entstanden in Wolfswinkel die Novellen und Romane: „Das Majorat oder Geldmacht und Grundbesitz“, „Ein ausgerissenes Blatt“, „Entfesselte Furien, kulturhistorischer Roman aus dem 30jährigen Kriege“, „Wie man regiert, humoristische Erzählung aus der Kriegszeit 1866“, „Rittergut Marderheim, eine Kriegsgeschichte aus dem Jahre 1866“ und „Vom Altar in den Krieg, eine lothringische Familiengeschichte aus der Kriegszeit 1870—71“.
Mit dem Jahre 1871 endigt Niendorfs belletristische Tätigkeit im allgemeinen; nach dieser Zeit hat er nur noch einige Gelegenheitsgedichte, z. B. zum Geburtstage des Kaisers (Achtzig Jahr schneeweiß), verfaßt. Sein letztes Gedicht ist dem Fürsten Bismarck gewidmet. Die Not der Landwirtschaft, die er als Landwirt kennen gelernt hatte, die Steuerüber- bürdung des Landes gegenüber den Städten durch Klassen-, Grund- und Gebäudesteuer, die teuren Stempel- und Gerichtskosten für Immobilien gegenüber der Steuerfreiheit beim Umsatz von Mobilien, sowie die Nachteile der Zollpolitik beim Kauf von landwirtschaftlichen Geräten und Verkauf von Getreide und Vieh u. s. w. — dies alles machte ihn in der letzten Periode seines Lebens zum kämpfenden Sozialpolitiker, auf den man das bekannte Schillersche Wort anwenden könnte: Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte.
Als Fortschrittsmann (1869—70) statt des verstorbenen Waldeck für den Wahlkreis Bielefeld—Wiedenbrück in den norddeutschen Bundesreichstag gewählt, suchte er bald, da seine Bestrebungen für das Wohl der Landwirtschaft von der Fortschrittspartei nicht gebilligt wurden, den Anschluß nach rechts.
Um seine Ideen nachdrücklich zu verfolgen, siedelte er nach Berlin über und gründete er am 1. Januar 1870 „Niendorfs Zeitung für Landwirte und Grundbesitzer“, die vom 1. Juli 1871 ab als „Deutsche Landeszeitung“ erschien und von 1881 — 91 als „Deutsches Tageblatt“ weitergeführt wurde. Ferner gründete er im Februar 1870 diePartei der„Agrarier“, die zu Anfang des Jahres 1876 in die „Vereinigung der Steuer- und Wirtschafts-Reformer“ umgewandelt wurde. Die Früchte seines Strebens hat er nicht mehr geerntet. Am 12. Juni 1878 ereilte ihn im 53. Lebensjahre der Tod. Die „Steuer- lind Wirtschafts-Reformer“ ehrten sein Andenken durch Beisetzung seiner sterblichen Überreste auf dem Friedrich- Werderschen Kirchhof in der Bergmannstraße in Berlin und durch