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(1908) 17
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5. (3. außerordentliche) Versammlung des XVII. Vereinsjahres.

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punkt der Linie dieser 8 mußte daher die Brückenstadt Lübben, mußten vor allem die erwähnten beiden Schutzburgen entstehen. Der verlandete See stellt sich zuweilen noch jetzt in der Winterzeit wieder her. Naturgemäß erfolgte die Besiedelung der Niederung von den Rändern aus, an welchen bis jetzt etwa 80 Urnenfelder gefunden und aufgedeckt worden sind. Ihre räumliche Gruppierung entspricht selbstverständlich der Zeitfolge in der Weise, daß die jüngeren Funde immer weiter vom Rande entfernt und tiefer liegen als die der voraufgegangenen Perioden. Sie sind also räumlich und zeitlich gleichmäßig abgestuft. Wie vormals Rudolf Virchow, so nimmt auch Prof. Dr. Richter für das Spreewald­gebiet keine eigentliche Steinzeit an, obwohl man bei Hartmannsdorf, nördlich von Lübben, allerlei Steingeräte gefunden hat, die freilich auch noch in der Metallzeit entstanden sein können. Reich vertreten sind die Funde aus der älteren Hallstadtzeit; auch solche aus der römischen Zeit sind gemacht worden. Die Verlandung des Spreewaldgebietes machte immer weitere Fortschritte, bis schließlich ein Netz von Fluß­armen und Flüssen übrigblieb, das später durch künstliche Kanäle ergänzt wurde. An zwei Stellen, nördlich von Cottbus und sodann hinter Lübben löst sich die Spree in zahlreiche Arme und Rinnen auf, sodaß man einen Oberspreewald südlich von Lübben und einen Unterspreewald nördlich der Stadt unterscheiden kann. Der 28 km lange und 11 km breite Oberspreewald hat seinen Baumbestand so ziemlich eingebüßt, aber das volkstümliche Leben und Treiben (Sprache, Sitten, Trachten) seiner im frühen Mittelalter angesiedelten Bevölkerung besser bewahrt als der 15 km lange und km breite noch reich bewaldete und des­wegen landschaftlich schönere Unterspreewald; aber es nimmt jetzt immermehrVergang, und in Lübbenauer Tanzlokalen wird die wendische Tracht nicht mein- geduldet. Im Unterspreewald erobert dagegen die Wiesenkultur einen Teil des schönen Laubwaldes nach dem andern. Der Hauptbaum des Spreewaldes ist die Schwarzerle; doch findet man meist jungen Bestand, da die Bäume alle 80 Jahre geschlagen werden. Auch Eschen und Eichen kommen vor, Buchen sind natur­gemäß selten* Das Ackerland liefert nicht genügend Brotkorn; die Spaten- und besonders die Wiesenkultur überwiegt. Die Menschen (noch etwa 50 000 Wenden) sind ihren mittelalterlichen Vorfahren im Aussehen und Denkweise noch heute ähnlich. Manches hat sich noch aus alter Zeit erhalten. Der Wende stößt seinen dem Einbaum ähnlichen flachen Bretterkahn wie damals mit der Eschenstange vorwärts, ohne- ein Ruder zu benutzen, und die Wendinnen verdanken dieser graziösen Übung, die immer stehend ausgeführt wird, ihre vorzügliche Körperhaltung. Reicher Beifall wurde dem anregenden Vortrag gespendet.

Während des einfachen aber gediegenen Mittagsmahles erhob sich Herr Prof. Dr. Fischer, um die Brandenburgia im Namen des Bürger-

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