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5. (3. außerordentliche) Versammlung des XVII. Vereinsjahres.
Städte Lübben und Luckau sich befunden haben. Eine der größten und schönsten Bauernwirtschaften in Schiepzig war mit 50 Talern verschuldet; der Besitzer, der keine Rettung sah, trat sie einfach für diese Schuld ab. Ein Bauer war so verarmt, daß er in 24 Jahren nicht einmal den Pachtzins von 1 Mark und 6 Pf. erschwingen konnte. Durchzüge der fremden Heeresvölker, Plünderungen, Kontributionen, Brandstiftungen, Pest — alles zusammen brachte Dörfer und Städte an den Rand des Verderbens. Wenn man die Ortsgeschichte genau studiert und das namenlose Elend sich vor Augen stellt, möchte man mit dem Dichter ausrufen: „Wenn du dabei nicht weinst, wann weinst du dann?“
Lübben und Luckau waren völlig verarmt. Auch die übrigen Städte der Lausitz waren durch alle Greuel des Krieges in großes Elend versunken. Die Landesbehörden — das Oberamt und der Kanzler, sowie die Stadtbehörden, flüchteten in den Schlepziger Spreewald. In der unglücklichen Hauptstadt Lübben, aus welcher der Landvogt Freiherr v. Promnitz nach Polen auf seine Güter (1639) geflüchtet war, hielt nur der Offizial (oberste Geistliche) Martin Ramus bei seiner durch Pest und Elend zusammengeschmolzenen Gemeinde aus, unter Plünderungen, Brandstiftungen und allen Schrecknissen durch fremde barbarische Völker unter Wallenstein, Gallas usw., lehrend, tröstend, mahnend und die fremden Heerführer um Barmherzigkeit anflehend für sein unglückliches Volk — eine wahre Heldengestalt der evangelischen Kirche. Im Jahre 1640 sank er ins Grab. In seiner amtlichen Denkschrift, die ein wichtiges Dokument für die Kirchen-, Schul- und allgemeine Kulturgeschichte ist, schilderte er dem Landvogt das Elend der Stadt und sah den Ruin alles Bestehenden. Drei Jahre lang blieb nun die oberste Kirchenwürde verwaist, es wollte sich keiner dazu bereit finden lassen. Im Jahre 1643 wurde Johann Georg Hutten (1615 — 1683), einer Patrizierfamilie entstammend (sein Vater war Rechtsgelehrter und Ratsherr), in das Offizialamt berufen. In den ersten Jahren seines Amtes hielt er für die Stände der Niederlausitz und für alle Geflüchteten auf Wussegk Gottesdienste ab. Er ist ein Mann von großen Verdiensten um Staat, Kirche und Schule. Auch um die Gemeinde Schiepzig hat er sich sehr verdient gemacht. Darum hat unsere ländliche Genossenschaft ihm 1904 auf Wussegk ein Denkmal errichtet. Mit den Schlepziger Pastoren, deren er mehrere ins Amt berief, stand er in schönem freundschaftlichen Verkehr, besonders auch mit Pastor Martin Gallus (1662—1698 im Schlepziger Pfarramte), der auch zum Freundeskreise Paulus Gerhardts, des begnadeten Sängers, gehörte.
Nur sehr langsam hat unsere Gemeinde wie die Lausitz aus dem Elende der Kriege sich wieder erholt. Wir können an der Hand der Zinsregister auch dieses Aufsteigen und den langsamen Anbau von Kolonisten, besonders in den Jahren 1690—1700 verfolgen.