Die rote Farbe.
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den Himmel, von dessen Segnungen und Schrecknissen sie sich abhängig wissen; — und das himmlische Feuer (durch den Blitz und die Gestirne vertreten, aber auch sonst als geheimnisvolle Macht anerkannt) erhält seinen Verehrungszoll.
Glühende Kohlen und eine Axt müssen (bei den sog. „armen Leuten“ in Ostpreußen) vor die Schwelle des Zimmers gelegt werden, wenn ein neugeborenes Kind zur Taufe getragen wird und wenn die Mutter ihren „Kirchgang“ hält; ja, ein Hammer wird gleich nach der Geburt herbeigeschafft und bleibt ganz nahe bis zur Taufe. Steckt man dem Täufling eine erloschene Kohle oder eine Kupfermünze in das Wickelzeug, so beschwört man herauf, daß das arme Wesen einst durch Feuer Schaden nehmen muß.
In den Tempeln schwedischer Inseln lagen schwere Thorshämmer, deren Schlag Gewitter erregte, gleichwie [bei den Deutschen] in Siebenbürgen gewisses Klopfen an einem heiligen Donnerstag das Wetter anzieht. ')
Der Donnerstag war dem Thor-Donar geweiht. Im Schwedischen heißt dieser Wochentag Thorstag, der Januar Thorsmonat, das Himmelfahrtsfest der heilige Thorstag und jedes dröhnende Gewitter Thorsdön. Unter die Beschimpfungs- und Beteuerungsformeln gehört auch Philander von Sittenwalds „daß dich der Donnerstag!“ (1670) was auf den strafenden Thorshammer weist. Der erste Donnerstag je im dritten Monate (d. h. im März, Juni, September und Dezember) wird in einzelnen Gegenden für heilig gehalten.-) — In verschiedenen Gegenden Deutschlands sagt man: zum Himmelfahrtstage gehört Gewitter.
Thor-Donar war auch der Gott der Hochzeit; und in vielen Gegenden ist es Sitte, an einem Donnerstage Hochzeit zu feiern. In Berlin nimmt (s. Voss. Ztg. No. 80, 17. Febr. 1906) der Donnerstag die zweite Stelle ein; der Sonnabend hat die höchste Zahl aufzuweisen.
Thor-Donars Farbe, das leuchtende Rot — das dem Pelargonium zonale Ait. und einer Lychnis Art den Namen „Brennende Liebe“ eingetragen hat — erfuhr von jeher bei Hochzeiten eine großartige Verwendung, was (wie wir in Ernst Samter die Abhandlung „Antiker und moderner Volksbrauch 3 ) lesen) eng mit Opferdienst verknüpft ist: „Wer ein rotes Gewand anlegt, der vollzieht — nur in etwas anderer Form — dieselbe Zeremonie wie derjenige, der mit dem Blute des Opfertiers besprengt wird oder sich mit dem Fell des Opfertiers bekleidet oder sich darauf niedersetzt; er vollzieht an sich symbolisch eine Opferhandlung. — Bei sehr vielen Völkern trägt die Braut ein rotes Kopftuch oder einen roten Schleier, so bei den alten
*) E. H. M. S. 208.
2 ) E. L. Rochholz. S. 29.
s ) S.-A., Allgem. Ztg. No. 116, 25. Mai 1903. (München.)