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Elisabeth Lemke.
Zunächst sei das Sounenzeichen erwähnt: ein millionenfach wiederkehrendes Ornament, das die Menschen wohl zu allen Zeiten und an allen Orten verwandten, so daß ein großer Teil der Forscher es als ein ganz zufälliges, garnichts bedeutendes ansieht, indessen andere ihm eine wohl überlegte Bedeutung nachsagen. Es besteht aus einem einfachen oder mehrfach gezogenen Kreis, in dessen Mitte ein Punkt sich befindet. Man trifft es auf zahllosen Gegenständen, sogar auf Felswänden (auf den Bilder- und Schalensteinen von Venezuela). Sowohl in vorgeschichtlichen wie in ethnologischen Sammlungen begegnen wir dem kleinen Ornament sozusagen auf Schritt und Tritt. — Die Sonne, die urewige Lebensspenderin, erfuhr allerdings außerordentliche Berücksichtigung, wo es sich um Ornamentik handelt, die dem Symbolischen sich anschließt. Da gilt nun das Triquetrum, d. h. die angedeutete Darstellung dreier laufender Beine, als Sinnbild der rollenden Sonne. An vorgeschichtlichen Gefäßen Schlesiens steht diese Verzierung genau auf den Stellen, auf denen früher bei ähnlichen Gefäßen ein wirkliches Sonnenbild angebracht wurde. Das Triquetrum kommt ebenfalls zu allen Zeiten und in weit von einander entfernten Ländern vor. Es hat sich z. B. in Lykien und Syrien unverändert erhalten, in Form von drei halbrunden Linien, die von einem gemeinsamen Mittelpunkt ausgehend, einander in gleichen Abständen folgen.') — Das Radornament. „Als das großartigste Werk wird in der primitiven Periode der vedischen Arya das „Speichenrad“ genannt. In der Tat bedeutet der Bau des Speichenrades für den Naturmenschen einen gewaltigen Schritt vorwärts. Im Rigveda ist das Rad mit seinen Speichen, von denen „keine die letzte“ ist, und sein Bau ein beliebter Vergleich und ein oft ausgeführtes Bild. „Den vielgepriesenen Indra“ heißt es Rigveda 7, 32, 20, „biege ich durch das Lied hierher, wie ein Wagner einen Radkranz aus gutem Holze biegt“ oder [Qakra] „den Blitz in der Hand, herrscht über alle Menschen, wie
') Olshausen, Anwendung symbolischer Zeichen. Verh. d. Berl. Ges. f. Anthr, Ethnol. u. Urgesch. 1880, S. 277 f. Virchow wies darauf hin, daß, wie auf einem aus Holstein stammenden Bronzemesser des Kopenhagener Museums das Triquetrum neben Sonnendarstellungen erschien, so auf einem bemalten Gefäße von Zaborowo in Posen innerhalb mehrerer Sonnen; dagegen sei es auf schlesischen Gefäßen ohne Sonnenbilder räumlich und der Bedeutung nach wohl an Stelle solcher. Zu vergleichen wäre damit die farbige Abbildung eines Triquetruins in einer Sonne auf einem Gefäße von Kaimierz. (W. Schwartz, Materialien zur prähist. Kartographie d. Prov. Posen; Nachtrag II, Taf. 1, 6.) Die Sonnen auf jenen Gefäßen sind rote Scheiben mit dunkeim Zentrum und dunkeln Strahlen, oder rote Scheiben, die einen dunkeln Saum haben usw. Auf jenem Bronzemesser (wie auch anderswo) erscheint die Sonne in Gestalt mehrerer konzentrischer Kreise, mit einem Strahlenkränze, teils mit, teils ohne Punkt in der Mitte. Nach Ludwig Müller (Kopenhagen) bezeichnet das Triquetrum den ewigen Kreislauf. Bei den Kleinasiaten und den Phöniziern im westlichen Teile des Mittelmeeres ist es ein Symbol des Sonnengottes. (Olshausen a. a. O.)