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Elisabeth Lemke.
den Vierlanden bei Hamburg befindet sich ein aus roten Ziegelsteinen gemauerter Donnerbesen.
Wenn wir allen diesen Spuren nachgelien, die uns immer wieder den Glauben an die unvergleichliche Gewalt und Heiligkeit des himmlischen Feuers, an seiue „ewige“ Dauer, mithin an seine Unsterblichkeit verdeutlichen, so können wir es begreifen, daß das vom Himmel stammende Feuer eine so bedeutende Rolle in Schöpfungsgeschichten spielt und daß der Glaube an die Feuerbeschaffenheit der Seele bis heute noch nicht völlig erloschen ist.
In der Schweiz sagt man: „Vom Sterbelager steigt ein Feuer
funken auf und fährt in der Richtung durch die Luft, in der man die Leiche zu Grabe tragen wird“.
Wiederkehrende, elend umherirrende Seelen sind Flämmchen (deren Farbe hier Nebensache sein mag, im Widerspruch zu der sonst d. h. bei anderen Veranlassungen so schnell gebrauchten Bezeichnung „feuerrot“). Ganz besonders sieht man die über Sümpfen schwebenden Irrlichter für arme Seelen an, die nicht zur Ruhe kommen können. Wenn die Kinder ohne Taufe sterben, werden sie in Irrlichter verwandelt, um nun in aller Ewigkeit den Menschen Unglück bringen zu müssen. Auch totgeborene Kinder werden Irrlichter. Eine Sternschnuppe bezeugt den Tod eines ungetauften Kindes oder überhaupt das Erlöschen eines Menschenlebens. ')
Die Seele erscheint als Feuer, als Licht, — die Seele des ungetauften Kindes, des Geizhalses (der sein Geld vergraben), des ungerechten Landmessers oder Grenzsteinverrückers, des Erhängten oder Ertrunkenen: als Irrwisch; engl, elflight. Gereizt zündet der Irrwisch das Haus an, oder er bedroht das Leben. Die sog. „Stölkenlichter“ schwärmen vornehmlich von Michaelis bis Weihnacht und fahren mit der wilden Jagd. * 2 )
Die Sterne sind [wie anderweitig ebenfalls] bei Griechen und Deutschen auch als goldige Bienen gedacht. Bei den Ausuariern in Syrien — die Sonne und Mond verehren — trägt jedes dieser Gestirne den Namen „Fürst der Bienen“, und die Sterne werden umherschwärmenden Bienen verglichen. Dieser Feuerhimmel ist das Paradies, und jeder Stern ist die Seele eines Auserwählten. Nach dem neugriechischen Volksglauben kehrt die Seele eines Verstorbenen in Gestalt einer Biene zurück. 3 ) — Man hat die Biene ein „Seelentier“ genannt, und es muß ihr der Tod eines Hausbewohners, besonders der des Hausherrn, gemeldet werden. „Die Seele ist Biene, die auch Todesbotin ist.“ 4 ) — In Ostpreußen heißt es: von Bienen träumen, bedeutet Feuer. — Es sei
') Ygl. E. Lemke, Vorstellungen über das Treiben der Toten im ostpreuß. Volksglauben. (Central-Organ f. d. Interessen des Realschulwesens.) (1896; Februar.)
2 ) E. H. M., S. 621
a ) Wilhelm Schwartz, Priih.-anthrop. Studien. S. 1581
‘) E. H. M., S. 113.