Heft 
(1908) 17
Seite
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Emst Friedei.

rauhen Gegend ferner einer Gegend mit starker Bevölkerung oder einer mit nur schwacher Bevölkerung näher betrachten?

Es ist Keiner unter uns, dem nicht bei diesem Hinweis sofort Volks­gruppen vor die Seele treten, die sich markant abheben, die einen bestimmten, in sich abgeschlossenen Typus bilden, der wo anders sich nicht vorfindet.

Die Beschäftigung mit diesen Volkstypen will ich unter der Bezeichnung persönliche Volkskunde verstanden wissen.

Gewöhnlich treten Einem, wenn man dies Thema streift, die Beklei­dungen der einzelnen Völkergruppen, die Trachten der Stände, die Volks­trachten vor die Augen. Allein, wenn es auch vielfach zutrifft, daß Eigenart der Volkstracht mit körperlicher Besonderheit, der sie benutzenden Einzelwesen verbunden ist, so trifft dies doch keineswegs allemal zu. Eigenart der Volkstracht und Eigenart des körperlichen Verhaltens (des Körperbaus) des äußerlichen Auftretens, Benehmens und Verhaltens decken sich durchaus nicht immer.

Es ist nun die Aufgabe der persönlichen Volkskunde, diese ver­schiedenen Völker und Stammesgruppen zu ergründen, zu individualisieren in Bezug auf ihre äußere Körperlichkeit und auf ihr besonderes Ver­halten und Gebahren im täglichen Verkehr und damit des Weiteren die Lebensweise, die Angewohnheiten, die Tracht, die sonstigen volks­tümlichen Gegenstände und schließlich auch die Sagen, Sitten, Gebräuche, sowie die Mundarten zu vergleichen.

Es hat an Anläufen, die verschiedenen Typen, aus denen sich die Individuen des deutschen Volkes und seiner Stämme zusammen setzen, somatisch zu erfassen und klarzulegen nicht gefehlt und muß ich in dieser Beziehung dankbar die Deutsche Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, besonders die hochangesehene Berliner Gesellschaft gleichen Rubrums erwähnen, welche in ihrem unermeßlichem Forschungsgebiet versucht hat, auch die verschiedenen deutschen Volks­typen zu ergründen und zu spezialisieren. Hierauf bezüglich hat der Altmeister Rudolf Virchow in anerkennenswerter Weise vielfältig An­regungen gegeben, auch selbst vielerlei gesammelt und geschrieben. Das kann als die anthropologische Erforschung des Volkes bezeichnet werden, leider hat dieselbe, wie vorauszusehen, das, was wir im Sinne haben und als persönliche Volkskunde betrachten, nicht erreicht.

Die anthropologische Volkskunde hat sich vorzugsweise mit dem Knochengerüst insbesondere mit den Schädeln beschäftigt und nach dieser Richtung hin ein kostbares Material zusammen gebracht, von dem diluvialen Neandertahnenschen und den juugsteinzeitlichen Menschen der großen Steingräber hinauf bis zu den alemannischen, schwäbischen und bayrischen Beinhäusern der Gegenwart. Es sind bei dieser Gelegenheit