Heft 
(1908) 17
Seite
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Dr. Gustav Albreclit. Kinderlieder ans der Zauche.

Ich möchte also bei den volkskundlichen Vereinigungen anregen, daß sie die hervorragendsten Personentypen ihrer Gegend photographisch sammeln.

Dabei müßte Geschlecht, Alter, soziale Stellung und möglichst auch der Stammbaum, wenigstens die Herkunft der Eltern und Groß- eltein festzustellen sein.

Wer sich, sei es auf dem Lande, sei es in der Stadt, aufmerksam umsieht, wird bald gewahren, daß es dort bestimmte der Örtlichkeit eigene Physiognomien giebt. Auf diese kommt es an. Man wird dabei nicht bloß auf die Äußerlichkeit des Gesichts, sondern auch auf den eigentümlichen Ausdruck zu achten haben, den Ausdruck bei besonderer Gelegenheit z. B. bei Freude, beim Lachen, bei Schmerz und beim Weinen pp. Man wird bald gewahren, daß man sich hiebei nicht über­all in Deutschland gleichgeberdet, daß verschiedene Gegenden und ver­schiedene Berufsklassen einen besondren persönlichen Ausdruck haben, der wo anders nicht wiederkommt.

Es müßte eine Zentralstelle geschaffen werden, bei welcher diese physiognomischen Bilder gesammelt, gesichtet und geordnet werden. Es ist die Überzeugung des Verfassers, daß sich hieraus recht wertvolle Ergebnisse für die Kunde der verschiedenen Volks- und Stammes­elemente und für die Erkenntnis des Volksgeistes und der Volksseele des Deutschen Volkes ergeben werden.

Der Verfasser möchte die Gelegenheit, bei welcher sich die Ver­treter der volkskundlichen Gesellschaften und Vereine deutscher Zunge im Oktober 1908 zu Berlin zu gemeinsamer Arbeit und Aussprache zusammenfinden, nicht vorüber gehen lassen, ohne die Notwendigkeit einer persönlichen Volkskunde betont und die Wege gewiesen zu haben, wie man die letztem unterstützen und auf das wesentlichste fördern kann.

Kinderlieder aus der Zauche.

Mitgeteilt von Dr. Gustav Albreclit.

In einigen Dörfern der Zauche, so in Kemnitz und Drewitz zwischen Brandenburg und Werder, haben sich neben alten Sitten und Gebräuchen auch Reste einer alten Kinderpoesie erhalten, deren Ursprung sich, wie auch an anderen Orten, bis in die graue Vorzeit zurück ver­folgen läßt. Es sind Reigen- und Spiellieder, Abzählverse und Tier­liedchen, Scherz- und Spottverse und Wiegenlieder, von denen manche in anderer Fassung auch im Ilavellande, in der Prignitz und in der