Heft 
(1908) 17
Seite
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Kinderlieber aus der Zauche.

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Mittel mark Vorkommen. Einige dieser Lieder und Verse, die mir vor mehreren Jahren durch Herrn Lehrer II. Böge in_Kemnitz mitgeteilt worden sind, lasse ich nachstehend in der überlieferten Form mit einigen Bemerkungen folgen. Mögen die meisten auch schon bekannt sein, so werden sie vielleicht wegen der abweichenden Lesart und der Dialekt­formen von einigem Interesse sein.

Wenn die Kinder im Dorfe Kemnitz Flöten aus Weiden- oder Erlenruten, auch P iep en oder Schalmeien genannt, anfertigen und mit dem Messer auf die Rute klopfen, um die Rinde zu lockern, damit sie diese als Röhre abstreifen können, dann sagen oder singen sie:

Ru, ru, Röte,

Mock mine Flöte.

Et sali jo joai'nich mine sin,

Et sali den Plundermann sine sin.

In diesem Verse tindet sich ein Nachklang an die Runenlieder die in der Vorzeit beim Ritzen der Runen in die Buchenstäbe gesungen wurden, dies läßt die Beschwörungsformel der dritten Zeile erkennen. Die Kinder wollen den Zauber, der nach dem Volksglauben mit einer selbst gefertigten Weidenflöte verknüpft ist, von sich selbst abwenden und Schaden verhüten. Nach dem Volksglauben dient die Flöte dazu, mit ihren Tönen den Wassermann aus dem Teiche hervorzulocken, damit er Regen bringt. Ein Hinweis darauf findet sich in anderen deutschen Flötenliedern, so z. B. in:

Zapf, zapf, Pfeife!

Auf dem Mühlendeiche Steht ein Mann,

Der heißt Johann,

Der hat rote Strümpfe an.

Dieser rotstriimpfige Mann ist der Wassermann, der aus dem Teiche heraussteigt und die Kinder mit einem Haken ins Wasser zieht. An die Stelle des Nickelmanns ist im märkischen Liede der Plundermann oder Plundermatz getreten, der in märkischen Sagen und Erzählungen vielfach als geheimnisvolle Person erscheint und gleich den Müllern und Schäfern Kenntnis von Zaubermitteln hat. Wie hier im angeführten Liede die Rute (Röte) selbst aufgefordert wird, die Flöte zu machen, so werden in anderen deutschen Liedern die Heiligen zu gleichem Zweck angerufen, so z. B.Nildos, Niklos, mach mir meine Pfeife los! oder Anne Margret, mach, daß meine Pfeife geht!, worin auch wieder Nachklänge alter Beschwörungsformeln enthalten sind.

Andere Lesarten bieten die nachstehenden Verse, die gleichfalls in der Zauche beim Flötenschneiden zur Anwendung kommen: