Heft 
(1908) 17
Seite
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Sagen aus dem Dorfe Lögow bei Wildberg i. d. Mark.

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Schicksal der Unterbliebenen Kinder. Aber auch der Geist des Mörders kommt nicht zur Ruhe. Er muß zur Strafeumgehen und suchen, sich mit seiner Frau zu versöhnen; erst dann kann er Ruhe finden.

Der Mörder kehrt nachts zurück, sucht seine Frau, die stets ängst­lich vor ihm flieht, und übt dann gern Schabernack gegen die nächtlichen Wanderer aus. Sohackt he hinnen upp d. i. er hängt sich hinten auf die fahrenden Wagen und beschwert sie so, daß die Pferde ihn nicht fortschaffen können. So konnten einmal Lögower Bauern, die über den Tatar gewitzelt hatten, einen Wagen, der mit einem halben Klafter llolz beladen war, nicht mit vier Pferden fortbringen, bis einer sagte: Tatar! ick bann di, d. i.:Tatare! ich banne dich!, da kam der Wagen frei. Auch den Wanderern bereitet er Ungelegenheiten. Er stellt ihnen das Bein, stößt sie in den Graben oder macht, daß sie irgend etwas verlieren müssen und es nicht wiederfinden können.

Wenn Frau und Mann sich wiedergefunden und versöhnt haben, wird dasUmgehen aufhören.

2. Die Viechelschen Kinder.

Der Weg von Lögow nach dem Flecken Wildberg führt über eine steinerne Brücke des Landwehrgrabens. Hier bei dieser Brücke ist es nicht geheuer. Es gehen nachts zwei kleine Kinder, dürftig bekleidet, den Weg. Sie gesellen sich stillschweigend zum Wanderer und gehen auch schweigend neben ihm her. Verscheucht man sie, so bereiten sie Unglück; läßt man sich mit ihnen in ein Gespräch ein, so kann man unbehelligt weitergehen. Auf die Frage:Wo wollt Ihr hin? antworten sie stets:Nach Viechei, nach Vieche!! Sie erzählen dann folgende Geschichte: Vor mehr als hundert Jahren heiratete ein Bauer aus Lögow eine Witwe aus dem südlich von Wildberg gelegenen Dorfe Viechei. Sie brachte zwei Kinder mit in die Ehe, die sie über alles liebte. Dem Bauer waren die Stiefkinder ein Dorn im Auge, und da sie Geld von ihrem verstorbenen Vater besaßen, hätte er sie am liebsten beiseite geschafft und beerbt. Darüber grämte sich die Mutter sehr, und der Gram verzehrte ihre Kräfte. Sie starb, und nun trieb der hartherzige Stiefvater die kleineu Kinder, Knabe und Mädchen, dürftig bekleidet, in die kalte Winternacht mit den Worten hinaus:Jetzt schert Euch nach Viechei! Die Kinder zogen weinend ab und erfroren. Der Vater wurde bestraft und endete sein Leben an der Karre. Die Kinder aber gehen noch oft den Weg, um ihre Mutter auf dem Kirchhof zu besuchen. Sie begegnen nur Männern, um diese vor Hartherzigkeit zu warnen.

Der alte Schäfer auf dem nahe gelegenen Vorwerk Emilienhof hat sie gesehen; ihm haben sie ihr Schicksal erzählt, und er hat zur Warnung es den Dorfbewohnern wiedererzählt.