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Dr. F. Weineck.
hinabsteigenden Tagesgestirn oder vielmehr dem Sonnengott Balder oder Phol (vgl. die 1. Merseburger Zauberformel) als heilige Opferfeuer entzündet wurden.
Emsig sammelt dazu in Stadt und Dorf die Jugend alle Holzabfälle und Reisig, vornehmlich alte Teer- und Petroleumfässer; in Jena aber holen sich die Knaben der 3 Bürgerschulen in dem jeden zugeteilten Bezirk der Stadt auch die inzwischen verdorrten Pfingstmaien aus den Häusern zusammen. Und hier brennen nicht nur die Knaben dieser 3 Schulen, sondern auch die 3 Burschenschaften und zwei Corps und andere Studentenvereine, ferner die Künstlergesellschaft und die Fuchsturm- und die Jenzig-Gesellschaft, die ihre Häuser auf den hervorragendsten Berghohen haben, Johannisfeuer. Und ebenso zünden auch .alle kleineren Orte im Saaltale und auf den anstoßenden Hochflächen solche Feuer an. Doch bleiben die Höhen im Altenburgisclien dunkel, wo, wie ich glaubhaft erfahren habe, vor langer Zeit die Feuer wegen des dabei verübten Unfugs polizeilich verboten worden sind.
Zahlreich sind die Scharen von Jung und Alt, die aus Jena mit hinausziehen, und ebenso lagern sich um die Feuer der Dörfer Groß und Klein bis zu den Kleinsten herab, die die Mütter im Kinderwagen mit heraufbringen: schon das ein sehenswertes lebendes Bild. Prachtvoll ist der Anblick, wenn dann mit hereinbrechender Dunkelheit auf all den Höhen bis zu den Hügeln im Tale unten in rascher Folge, bald hier, bald da und wieder dort die Feuer aufflammen, deren ich mehr als 20 gezählt habe, und in die Nacht hineinleuchten, manche stundenlang, andere früher verlöschend, und wenn um das große Feuer zahllose kleine Lichter, die geschwungenen Fackeln, tanzen. Und an dem Berghange zum Forst hinauf erglänzen zu gleicher Zeit die Schrebergärten von Hunderten bunter Laternen und Lichter, die sich wie leuchtende Schnüre darin hinziehen. Prächtig besonders ist noch der Abschluß, wenn die Feuer niedergebrannt sind und in der dunkelen Nacht lange, lange Züge von Fackelträgern auf den gewundenen Wegen vom Hausberg und Jenzig, vom Landgrafen und Forst und von der Schweizerhöhe sich wie feurige Schlangen nach der Stadt herabziehen. Es lohnt wahrlich einen Johannisabend in Jena oder vielmehr auf einer der Höhen bei Jena, auf denen ja meist auch für Trank und Speise wohl gesorgt ist, zu verleben.
Von altem Brauch und Glauben hat sich freilich sonst nichts erhalten. Nicht mehr zündet die Jugend am großen Feuer abgekehrte Besen, wie ehedem und wie es im alten Glauben begründet war an, sondern moderne Fackeln aus Kienspänen, die oben vielfach gespalten, geteert und mit Werg umwickelt sind, freilich auch länger Vorhalten; nicht mehr werden diese sorgfältig im Kreise (als Abbild der Sonnenscheibe) geschwungen, nicht mehr zum Schluß auf die Felder oder zum Heerdfeuer