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Robert Mielko.
Scheltworte haben indessen eine andere Herkunft. Schon in der Art der Anwendung kann man erkennen, daß hinter dem Sprachsiegel der Rest einer ganz klaren Stimmung steht. Ja, man wird noch heute ohne Mühe bestimmte Vorstellungen je nach der Energie des Scheltwortes empfinden, bestimmte Gedanken, die auf ein Ziel hinleiten. Wird von einem Abwesenden gesprochen, dann sucht man durch das Wort die Eigenschaften kurz anzudeuten, die man d^m Betreffenden zumißt (Schlafmütze, Bolle, Kruke, Tollpatsch u. s. w.). Zumeist sind dies durchaus harmlose Worte. Anders ist es schon in der An- und Gegenrede, bei denen man sich im allgemeinen gleichfalls harmloser Worte (Esel, Schaute, Männeken usw.) bedient, so lange die gegenseitigen Beziehungen noch nicht schroff abgebrochen sind. Es findet dabei offenbar eine Auslese aus den zur Verfügung stehenden Scheltworten statt, die erst bei der Erhitzung der Gemüter aufgegeben wird. Je nach der Feindseligkeit der Gesinnung schattieren sie in Berlin von dem bösartigen Ochse, bezw. Heu- oder Hornochse, Hallunke, Hund, Rindvieh, zu den blässeren Schafskopf, Stiesel, Tele (Hundetele), Affe, Schlumps, Fatzke, Flaps, Flegel, Teekessel, Quatschkopf, und zu dem, einen geistigen oder anderen Mangel anzeigenden, Dummkopf, Hammel (Dreckhammel), Dämel (Dämelack), Dussel. Harmlos ist dagegen das Wort „Ihr Unglücksmenschen“, das ich in einem märkischen Dorfe einstmals in der Form „Ihr Unglüc ke“ hörte. Das für Berlin sehr charakteristische Sch..ßer ist heute mehr in einem gemütlichen Sinne gebraucht und verliert diese Harmlosigkeit erst, wenn jemand dem Gegner eine entschiedene Geringschätzung recht deutlich zu erkennen geben will. Daß man das Wort selbst nicht immer als harmlos auffaßte, bezeugen die Perleberger Ratsprotokolle von 1630 '), nach denen mehrere Bürger den Jürgen von Salzwedel einen „Sch , -ßma tzen“ und „Il undesf ötzen“ genannt haben. Ob damit Hundsfott zusammenhängt?
Viele dieser Scheltworte sind Eigentum, zum Teil aber auch Erzeugnis der Großstadt. Bei jüngeren, wie bei Teekessel, Schlumpse, Schlampampe u. a. scheint nur Klangmalerei zugrunde zu liegen, obwohl daneben vielleicht auch Gedankenlosigkeit eingewirkt hat. Ich selbst war einmal Zeuge einer unerheblichen Straßenschimpferei, bei der A den B einen Rindskopf hieß. Obgleich B anscheinend durchaus nicht auf den Kopf gefallen war, war er sichtlich bemüht, seinem Gegner ein recht wirkungsvolles Scheltwort an den Kopf zu werfen. Das Ergebnis war nach einer sekundenlangen Überlegung: „Sie ollet Pferde- bahnschienenjeleise“. Dieses gedankenlose, ich möchte fast sagen, aus einer Ulkstimmung heraus geborene, Wort milderte die ursprünglich
') Veröffentlicht zunächst in einem Privatdruck von üymnasialdirektor Vogel in Perleberg.