Heft 
(1908) 17
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Schimpf- und Scheltworte.

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etwas gespannte Lage sofort dahin, daß A kopfschüttelnd seines Weges zog und nur noch einSon Hosenscli . . ßer murmelte. In einem anderen Falle, der mir berichtet wurde, soll in den siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein geringschätzigesSie oller Differenzial­tarif zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung geführt haben.

Die stärksten Antriebe für die Anwendung eines Scheltwortes sind aber Haff und Verachtung. Sie lassen häufig zu recht scharfen Aus­drücken greifen, aber sie vermeiden wenigstens bei den klassischen und germanischen Völkern das Obscöne. Beschimpfungen, die, wie ich sie mir in den betreffenden Ländern habe übersetzen lassen, selbst vor der Jungfrau Maria (Spanien) nicht Halt machen, oder in der höch­sten Wut eine geradezu gemeine Beschimpfung der gänzlich unbeteiligten Mutter des Gegners (Ruffland) aussprechen beides soll nicht ver­einzelt, sondern typisch sein, solche Beschimpfungen dürften sich in Deutschland selbst in dem 17. und 18. Jahrhundert nicht nach weisen lassen, in denen Schimpfreden offenbar zum guten Ton gehörten. Da­gegen ist die Kraft eines Scheltwortes nicht immer aus der gegenwärtigen Geltung zu entnehmen, da manche ihre ursprüngliche Bedeutung etwas verloren haben. Denn hinter der, durch den Gebrauch abgeschliffenen und verblassten Form einzelner Scheltworte, die heute ohne bestimmten Zweck, höchstens als eine nachdrückliche Bestätigung tiefster Erregung gebraucht werden, steht in der Vorzeit die zielbezußte Absicht einer schweren aufreizenden Kränkung, in weiterem Sinne einer Schädigung des Gegners, die geradezu plastisch in dem Gegenwert der gebräuch­lichsten Tiernamen (Hund, Kröte, Schlange) zu den geschätzteren Tieren (Wolf, Bär, Adler usw.) hervortritt 1 ). Pausanias (IV. 8. 2.) schildert diese kränkende Absicht einmal ganz einwandfrei bei der Beschreibung der Schlacht zwischen Lakedämoniern und Messeniern, wenn er sagt: Da sie näher aneinander waren, begannen sie mit Drohungen durch Schwenken der Waffen und durch grimmige Blicke; daun gingen sie zu Schimpfreden über. Über- die Natur dieser Schimpfreden gibt die Ilias (ll.^i) einen Anhalt:

Doch mit dem Speer nachstürmend, begann der Held Diomedes:

Wieder entrannst du dem Tode, du Hund usw. 2 )

Auch das Walthari-Lied bestätigt diesen Zweck des Scheltwortes mit den Worten:Und entfachte die Wut des Siegers durch bittere

') In einer Sage bei Fredegar, Chronik der Frankenkönige, ist durch einen Traum des Childerich, Vaters des Chlodovech I., die Rangordnung der Tiere in der Volksanschauung deutlich gekennzeichnet. Es folgen sich hier Löwe, Einhorn, Leoparden, Bären, Wölfe, Hunde und kleinere Tiere. Vergl. auch Gregor von Tours II. im Anhänge derAusgaben deutscher Geschichtsquellen S. 272.

) S. a. Ilias 22. 345 . Odyssee 22. 36.