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Robert, Mielke.
Schmähung.“ (Str. 1055.) In alten Dorfordnungen und städtischen Verordnungen ist das Sclimähen oft mit hoher Buße belegt, ein Beweis für die starke Nachwirkung eines uralten Gebrauches. In Perleberg ist in der Buße 1 ) sogar Schmähen und Hauen gleichgestellt.
In diesen Ordnungen ist Schelten oft gleichgesetzt mit dem Fluchen, eine sicher unbewußte Erinnerung an den Ursprung beider Äußerungen. Denn das Scheltwort reiht sich derselben Kampfstimmung ein wie der Fluch. Auch bei ihm ist die alte Bedeutung, die Beziehung auf die Gottheit, bei der heutigen Anwendung verblaßt. Indessen ist doch auch der große Unterschied in dem Gebrauche von Fluch- und Scheltworten in keiner Weise völlig verschwunden. Die letzteren reizen den Gegner, wollen ihn schädigen, während es bei dem ersteren zunächst ein Schutzbedürfnis ist, oder die Abwehr einer Schädigung, die das Wort auf die Lippen zwingen. Das natürliche Sprachempfinden hat diesen Ursprung in keiner Weise verwischen lassen, obwohl die Häufigkeit der Anwendung und die dadurch unbewußt herbeigeführte Bedeutungslosigkeit immer mehr auf diesen Ausgang hinstrebten. Fluch- und Scheltwort sind eben zu sprachlichen Ornamenten geworden, die als Füllsel gebraucht werden, wie in der bildenden Kunst so manches, einst geheiligte, Symbol nur noch als Linienwert sein Dasein fristet.
Wie sehr indessen bei dem Scheltwort noch uralte Vorstellungen weiterwirken, geht aus einer ganz bestimmten Anwendung hervor, bei der es sich um leblose Gegenstände oder Tiere handelt. Wie in den alten Heldenliedern die ersteren oft als beseelte Geschöpfe gedacht und benannt werden und selbst sterben können, so tritt diese Anschauung auch unverhüllt hervor, wenn der Mann aus dem Volke in Erregung gerät. „Du dummes Luder“ hörte ich in Berlin einen Schlosser aus- rufen, dem beim Anziehen einer Schraube das Eisen abbrach. Daß Kutscher mit ihren Pferden, Jäger mit ihren Hunden, Viehmägde mit ihren Kühen sich der Scheltworte bedienen, kann man oft genug beobachten. Eine charakteristische Rede, die ein Kutscher aus der Umgebung Berlins an sein Pferd hielt, mag dies beleuchten: „Schafskopp du. Wat fällt dich denn ein? Wie kannste de Decke runterschmeißen; wat jloobste
*) Vogel. Vergl. Perleberger Geschichten S. 57, Bezeichnender Weise sagen diese Statuta civitatis Perlebergensis, die aus dem Anfang des XVI. Jahrhunderts stammen daß „niemand soll übel reden oder sprechen auf Fürsten, Herren, Prediger, Priester, Rat, Jungfrauen und Frauen“. Der einfache Bürger und Bauer sind nicht geschützt; bei ihnen setzte der Gesetzgeber jedenfalls voraus, daß sie in diesem Punkte weniger feinfühlig waren als jene Stände. Umgekehrt aber kann man auch annehmen, daß gerade in diesen Kreisen die Anwendung von Schimpfworten allgemein üblich war. Süddeutsche Dorfordnungen sind darin anscheinend genauer; sie untersagen, „vor der Gemeind einander zu schmähen“. Siehe Fromlet, Hällische Dorfordnungen in „Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte“ XIII 1904. S. 383 % f.
