Schimpf- und Scheltworte.
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denn, wat soll det wern?“ — „Miserables Vieh“ oder „So’n Hallunke“ und ähnliche Äußerungen kann inan im Berliner Droschkenkutscher-Ton häufig hören, ohne daß diese Eigentumsbewertung etwas anderes ist als der Ausdruck einer Augenblicksstimmung.
Ursprünglich, wie der Schlag selbst, wirkt noch heute das derbe agres- sive Scheltwort, durch das sich die Gegner in eine immer wachsendere Erregung hineintreiben lassen, genau wie in der Vorzeit. Um den Gegner zu reizen, ihn zu einer unvorsichtigen Tat zu veranlassen, bediente man sich der Scheitworte, die bei diesem soviel Verständnis voraussetzten, daß er das Herabwürdigende heraushören mußte. Das erzählen nicht nur die homerischen Gesänge und unsere Heldenlieder, sondern das tritt auch in den wüsten Konfessionsschimpfereien der Kanzelredner des 16. und 17. Jahrhunderts hervor. Doch finden wir unten den Scheltworten oft Namen von Tieren, die ihre urspriing liehe Wertung längst verloren haben, denn sie kennzeichnen Tier- gattuugen, die keineswegs etwas Feiges oder Schwächliches an sich haben. Das ist um so auffallender, als die Mehrzahl der Scheltworte älterer Zeit von einer sehr guten Tierbeobachtung zeugt. Was hat z. B. das Kind — noch heute ist es der Stolz unseres Bauern — zu einem Scheltwort herabgewürdigt, während das Pferd, das doch von der Geistlichkeit in jeder Weise verlästert und verdächtigt wurde, keineswegs zu dieser Rolle gekommen ist? Das vereinzelte Heupferd ist offenbar eine junge und städtische Bildung. Wir haben allerdings keinen Nachweis für oder gegen die mögliche Tatsache, daß auch das Rind seinen Namen in der Vorzeit für ein Schimpfwort hergegeben hat. Nur die Beobachtung läßt sich stützen, daß Scheltworte selten ihre Bedeutung wechseln. Dagegen verlieren sie öfter ihre scheltende Kraft. Wenn u. a. in dem Salischen Gesetz die Beschimpfung als Fuchs mit 120 Pf. oder 3 Schill, gebüßt wird, so tritt die Schwere der Beleidigung nicht nur in der unverhältnismäßig hohen Buße hervor, sondern auch in der Tatsache, daß wir in diesem Wort kaum noch eine Beschimpfung erkennen. In der Fassung „so’n schlauer Fuchs“ ist es eher noch zu einer Anerkennung geworden. In dem Salischen Gesetz wird der Ausdruck höchster Verachtung, den wir bereits kennen und der so wenig schriftfähig ist, daß man ihn nur mit Punkten andeuten kann, gleichfalls mit 120 Pf. gebüßt'). Andererseits gilt auch der Hase, den wir im allgemeinen als Sinnbild der Furchtsamkeit eher in gutmütiger Weise bewerten, bei den Saliern als eine schwere Beleidigung.
*) „Si q u ‘ s alteram concacatum clamaverit, 120 dinarios qui faciunt solidos 3 culpabiäs iudicetur“. Lex Sal. XXX 2.
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