256
Robert Mielke.
Im großen und ganzen scheint sich der Schatz anerkannter Scheltworte nur langsam durch neue zu bereichern. Zwar verschwinden einzelne durch die wachsende Kultur, die Hauptmasse aber bleibt jahrhundertelang bestehen und wird höchstens durch neuere wie Kamel (Dromedar), Rhinozeros, Nilpferd u. a., die schon im Klange etwas Erheiterndes haben und sich als städtisches Sprachgut erweisen (Kasernenhof!), ergänzt. Interessant ist das Scheltwort Kröte, das eine merkwürdige Tatsache in der Psychologie des Scheltens bloßlegt. Wir wissen, daß dieses Tier in der Volksanschauung verachtet und verfolgt wird, ja, daß man es widerwärtig genug findet, um als höchste und schwerste Aufgabe bei der Erlösung der verwunschenen schönen Prinzessin einen Krötenkuß zu fordern. ') Andererseits spielt dieses Tier in der Volksmedizin, und hier besonders in der Vorstellung über ein inneres menschliches Organ, eine sehr merkwürdige Rolle, * 2 3 * 5 ) während es in der Sage ganz allgemein mit Hexen, Schatzhütern, mit dem Teufel und mit anderen Spukgeistern teils in Verbindung gebracht, teils identifiziert wird.") Als Scheltwort dient es heute vorwiegend in dem Sinne einer wegwerfenden Gehässigkeit, wenn z. B. jemand von einem Gegner sagt: „Na, so’ ne Kröte“. Doch ist es als Schimpfwort sehr alt und sehr verbreitet. Das im 15. Jahrhundert angelegte Gerichtsbuch der Stadt Seehausen in der Altmark kennt es bereits als ein böses Schimpfwort') (Krade), was auch die märkische Chronik des Enzelt von Salvelt aus dem Jahre 1579 für dieselbe Gegend bezeugt, wenn er sagt: „Es mag Crodo ein Kradenteufiel sein, daher noch die Sachsen per execrationem sagen Kradenteufiel“.') Auch das von 1497 bis 1518 reichende Stadtbuch von Münchberg im Fichtelgebirge erwähnt „gelbe Kröte“ als ein bösartiges Schimpfwort. 6 ) Bludau 7 ) gibt für Ostpreußen eine ganze Reihe von Varianten an, die als Schimpfworte oder doch mindestens als derbe Koseworte, wie man sie in unteren Kreisen so oft in Schimpfwortform findet, gebraucht werden. So Kreet, Beeskreet, falsche Kreet, krätsche Kreet, Aaskreet und Wetterkreet. Falsche Kippte und A askr öte sind ja auch in Berlin üblich, wo es als Bl itzkr öte, Fuchskröte u. a. sich weiter gewandelt hat.
" Dieses Scheltwort läßt sich also urkundlich eine erhebliche Zeit zurückverfolgen. Bei eingehenderen Studien dürfte sich das zeitliche
') Henne am Rkyn. Deutsche Volkssagen. Leipzig 1878. S. 30.
2 ) Zeitschrift des Vereins für Volkskunde XI. 1901. S. 341.
3 ) Henne am Rhyn. A. a. O. S. 30. 31.
*) v. Ledebur. Archiv für Brandenburgisch — Preußische Geschichte XIII. S. 170.
5 ) Chronicon oder Kurtze einfeltige vorzeiclmüs etc. Von Entzelt von Saivelt. Ausgabe 1579. S. 53.
6 ) Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken XII 1874. S. 44.
1 ) Bludau. A. a. 0, S. 208.
