Heft 
(1908) 17
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Schimpf- und Scheltworte.

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und räumliche Gebiet noch bedeutend erweitern. Auch bei anderen Worten dürfte sich ein etymologischer Stammbaum feststellen lassen. Aus meinen eignen, nur gelegentlich gemachten, Sammlungen seien von älteren Scheit Worten mitgeteilt: In dem oben erwähnten Seehausener Stadtbuch ist neben Krade noch erwähnt dieblinde Tilze als Be­zeichnung einer Frau.

Ein in dem Alvenslebenschen Archiv zu Calbe aufbewahrtes Pro­tokoll über einen Streitfall mit tödlichem Ausgange erwähnt 1776Du Lekker, ein Schimpfwort, dem durch einen Faustschlag seitens des Be­schimpften ein deutlicher Inhalt gegeben wurde.')

Das bereits angeführte Münchberger Stadtbuch stellt für die Zeit um 1500 folgende Schimpfworte fest: schalck, Wucherer, lusner, wantner, mördersson, diebsgeschlecht, gelbe Kröte, pößwicht, schantvogel, panckhardt, peck, peckne (letzteres bei Frauen).

Daß auchMörder undKranzhure nicht ganz harmlos waren, berichten die Protokolle über einen Hexenprozeß in Göttingen 1649. * 2 )

Von allen diesen Scheltworten muten die Tiernamen alt an; sie sind jedenfalls älter als jene Worte, die unmittelbar von einer hervor­tretenden Eigenschaft des Beschimpften herzuleiten sind. Aber auch von den Tiernamen erscheinen Hund und Kröte wie ein fernes, der grauen Vorzeit entstammendes Sprachgut. Die Beziehungen der letzteren scheinen dabei auf dunkle Vorstellungen von vorgeschichtlichen Sauriern hinzuweisen. Die Schatzsagen von Fafner und anderen Drachen bis zu den von Kröten bewachten Schätzen erklären wenigstens die verächtliche Rolle, die sowohl die Kröte selbst im Volksglauben wie ihre Bewertung als Schimpfwort gewonnen hat. Sie teilt diese Rolle mit der Schlange, die gleichfalls mit Schätzen in Verbindung gebracht und als Schimpfwort recht verächtlich gebraucht wird, die aber in der Sage vom Tatzelwurm auch als ein Mittelding zwischen Schlange und Kröte vorkommt.

Etwas anders liegt die Sache bei dem Hund. Ist bei der Schlange und der Kröte noch ein Rest von Furcht vorhanden, der auch in der Anwendung als Schimpfwort sich nicht verbergen läßt, so läßt der Hund nur Verachtung erkennen, eine Verachtung, die sich offenbar auch auf das Tier selbst erstreckt. Andererseits sind aber auch die Intelligenz und Kraft des Tieres nicht verkannt 3 ); sie treten in dem eddischen

') Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Naturwissenschaft in Sanger- hausen und Umgebung. Sangerhausen 1907. S. 97.

2 ) Protokolle des Geschichtsvereins in Göttingen 1897. S. 20. s ) Man wird die Redensart:Weiß der Hund, die bei Platon (Hippias der

Größere) in dem Sinne unseresWeiß der Kuckuck vorkommt, wohl kaum anders als Anerkennung der hündischen Intelligenz auffassen dürfen,

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