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Dr. phil. Julius Boehmer.
keines Wortes der Erläuterung. Auffällig ist vor allein, daß sie, nach ihrem Wortlaut zu urteilen, mit dem großen Ereignis in der lutherischen Kirche jener Zeit, dem soeben gefeierten 200jährigen Jubelfest der Reformation, nicht in Zusammenhang gebracht wird. Am Sonntag den 31. Oktober (im Jahre 1717—23. Sonntag nach Trin. nach neuem Stil), Montag den 1. und Dienstag den 2. November ward das Jubelfest auf Befehl Friedrich Augusts, des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen, in großartigster Weise gefeiert. Das nähere darüber findet man bei Ern. Sal. Cyprian, Hilaria evangelica oder Theologisch-historischer Bericht vom andern evangelischen Jubelfest (Gotha, Weidemann 1719), der übrigens in den zahlreichen von ihm gesammelten Inschriften (Teil 1Y jenes Werks) die Inschrift auf dem Altar der Burgkapelle von Rabenstein nicht erwähnt. Daß die Einweihung der neuen oder erneuerten Burgkapelle am Donnerstag den 11. November 1717 (seitdem fand bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein allwöchentlich am Donnerstag, nicht am Sonntag, wohl wegen des Dienstes in den übrigen fünf Kirchen, die dem Pfarrer von Raben zugewiesen waren und sind, in der Kapelle Gottesdienst statt) mit jenem 200 jährigen Jubelfest der Reformation irgendwie in Zusammenhang steht, die Annahme liegt ja nahe genug. Soweit darüber vorläufig.
Wer die Hexameter zum ersten Mal liest, glaubt in der Tat vor einem „Rätsel“ zu stehen. Der berühmte Archäologe Aloys Hirt (f 1836) hat gelegentlich sich so ausgedrückt und hier eine „Weissagung“ 4 gefunden, die alles Nachdenkens wert sei. Mühlmann 1 ) ist in seine Fußtapfen getreten und bemerkt zu den Versen: „Man hört die Klage eines Lutheraners aus jenen Versen heraus, der in der Zeit der Auflösung der protestantischen Orthodoxie und des durch den Pietismus hervorgerufenen Umschwungs, also vielleicht im Anfang des 18. Jahrhunderts, die Blütezeit der lutherischen Theologie des vergangenen Säkulums preist und im Hinblick auf das neuerwachende, nichtdogmatische Christentum um ihn her mit wehmütigem Blick in die Zukunft der Kirche, weissagt, Luther würde, wenn er nach abermals 200 Jahren, also am Ende des 19. Jahrhunderts, zurückkehrte, bei dem Anblick der neuen Zustände in Tränen ausbrechen . . . Die Inschrift wird ganz erklärlich, wenn man sich den Gründer der Kapelle, den Dr. Gottfried Leyser, als ihren Verfasser denkt. Dieser war ein Nachkomme, vielleicht ein Enkel des ehrwürdigen, im Jahre 1576 nach Wittenberg berufenen
') Felix Theodor Mühlmann (jetzt Kegierungs- und Schulrat in Merseburg) Wanderung durch die Geschichte der Stadt Belzig, des Schlosses Eisenhardt und der Umgegend, Belzig 1870 (als Manuskript gedruckt), S. 137 f. Neuestens hat August Trinius in seinem „Märkischen Streifzügen“ S. 336 f. über die Inschrift einfach wiederholt, was Mühlmann vorher gesagt hatte.