Heft 
(1908) 17
Seite
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Eine denkwürdige Luther-Inschrift auf Burg Rabenstein.

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Pastors und Professors Polykarp Leyser, der, ein eifriger Anhänger der lutherischen Lehre, die Aufgabe erhielt, die damals entstandene Konkordienformel in der Diözese Wittenberg einzuführen und die Kirchen- und Schuldiener darauf zu verpflichten. Sein milder Charakter ging nicht auf seine Söhne Wilhelm und Polykarp, beide Professoren in Wittenberg, über, welche die in der Praxis nicht befolgte Theorie ihres Vaters, mit den Papisten lieber Gemeinschaft zu haben als mit den Calvinisten, leider mehr betätigten. Dieser Familiengesinnung dürften die beiden Hexameter in der Rabensteiner Schloßkapelle entsprechend sein. Sie sind ein Denkmal der scheidenden Orthodoxie, gewidmet von einem Gegner des siegreich aufkeimenden Pietismus.

Diese Deutung der beiden Hexameter hat, im ganzen genommen, etwas Ansprechendes. Doch stehen ihr manche Bedenken entgegen. Denn erstlich ist die Beziehung auf den Gründer der Kapelle völlig gegenstandlos. Daß Gottfried Leyser, der Besitzer der Burg, Verfasser der beiden Hexameter war, ist bloße Vermutung, für deren Recht kein Grund namhaft gemacht werden kann. Nicht bloß ist ebensowohl der Pfarrer von Rabenstein in Raben oder irgend sonst ein Beauftragter Leysers als Verfasser denkbar, sondern es dürfte auch dieFamilien­gesinnung der Leyser hier rein gar nichts entscheiden. Söhne und Enkel haben durchaus nicht in der Regel dieselbe Gesinnung wie ihre Väter und Großväter. Ja, gerade in der Familie Leyser ist um so weniger aufFamiliengesinnung Bezug zu nehmen, als schon die Söhne Polykarps, wie Mühlmann selber anführt, nicht die Milde der Gesinnung von ihrem Vater ererbten. Demnach haben wir für das Verständnis der Hexameter von der Person Gottfried Leysers bis auf weiteres gänzlich abzusehen. Zweitens aber und vor allem hat Mühl­mann nicht erwähnt, daß die groß geschriebenen Buchstaben, welche in den Hexametern Vorkommen, zugleich römische Zahlzeichen sind und addiert in beiden Hexametern je 1717 1 ) ergeben. Wäre die von ihm im Anschluß an Hirt gegebene Auffassung einer im zweiten Hexameter enthaltenen Weissagung richtig, wäre hier auf die Zeit 200 Jahre nach 1717 hingezielt, also 1917 gemeint, so müßte letztere Jahreszahl im zweiten'Hexameter enthalten sein. Daraus ergibt sich zugleich, daß die Hexameter nichtam Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden sind, sondern speziell auf das Jahr 1717 gehen, aller Wahrscheinlichkeit nach also für die Einweihung der Rabensteiner Burgkapelle selbst gedichtet sind.

Ist nun in beiden Hexametern dasselbe Jahr 1717 gemeint, so enthalten sie dem Anschein nach einen direkten Widerspruch: laut dem

') L (50) + V (5) + I (1) + 0 (100) + V (5) + M (1000) + L (50) -f D (500) + !(!)= 1717.