Eine denkwürdige Luther-Inschrift auf Burg Rabenstein.
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wenn er den Gegensatz zwischen Orthodoxismus und Pietismus im Beginn des 18. Jahrhunderts in der Inschrift wiederhallen hört. Aber im Jahre 1717 konnte selbst der eingefleischteste Optimist kaum noch von einer Blüte des Orthodoxismus reden, nachdem Calov (f 1686), Quenstedt (f 1688) und selbst Hollaz (f 1713), nicht minder aber auch Spener (f 1705) längst die Augen geschlossen, nachdem schon Benedikt Carpzov (f 1691), Deutschmann (f 1695), Schelwig (f 1695) von orthodoxer Seite ihn befehdet, also als gefährlichen Gegner erkannt hatten. Der letzte nennenswerte und zugleich kräftigste Gegenstoß gegen den Pietismus stand doch auch schon vor der Tür (Löscher, Timotheus Verinus 1718. 21). Die Ursache der Tränen des wiederkehrenden Luther ist einfach der Pietismus damaliger Zeit: 1717 weint Luther über den Zustand der Kirche.
Erst wenn man weiß, daß Luther auf dem Rabenstein (in Wirklichkeit oder nach der Überlieferung) gepredigt hat, versteht man recht, warum er hier an einer neugeweihten oder renovierten Predigtstätte mit redit eingeführt wird. Freilich würde das redit noch einen ganz besonderen Sinn gewinnen, falls an eine bloße Renovierung der Kapelle zu denken wäre. Dem widerspricht allerdings, daß nach vorhandenen Akten aus dem 17. Jahrhundert (mindestens, gelegentlich, vielleicht immer) in einem Zimmer des Schlosses Gottesdienst stattfand. Auch sei hier wenigstens erwähnt, daß eine Überlieferung besteht, wonach Luther selber die Kapelle auf dem Rabenstein eingerichtet habe.
Dagegen kann das redit sicher nach einer anderen Seite noch einen reicheren Sinn gewinnen. Wenn man sich nämlich billig darüber wundert, daß die Einweihung der Burgkapelle nicht in den Tagen des 200 jährigen Reformations - Jubelfestes selber, also zwischen dem 31. Oktober und 2. November gehalten worden ist, so gibt darüber die deutsche Inschrift in der Mitte Aufschluß. .Man fragt sich hier naturgemäß, warum die Datierung nach dem alten (julianischen) Kalender beigefügt ist, da doch der gregorianische seit 1700 auch im protestantischen Deutschland eingeführt war, nachdem die katholischen Staaten ihn schon mehr als ein Jahrhundert zuvor angenommen hatten. Allein der 31. Oktober erklärt alles Der 31. Oktober neuen Stils war ja der Anfang des 200jährigen Reformations-Jubelfestes gewesen. Der 31. Oktober alten Stils wurde für den Rabenstein insbesondere wie für die Rabensteiner Kapelle ein Jubeltag, das rechte Reformationsfest. Ob der damalige Besitzer der Burg, oder wer sonst den Tag der Einweihung zu bestimmen hatte, ein persönlicher Anhänger des alten Stils war, oder ob ein anderer Grund ihn nötigte, gerade an diesem Tage die Einweihung der Kapelle geschehen zu lassen, jedenfalls war es ihm ein Reformationsfest, an dem der erste Gottesdienst in der Kapelle gehalten wurde. Daß es der Tag Martini, d. h. der Tauftag Luthers war, stand vorne an: das war ein