Lehnin, ein Gedenkblatt zum 24. Juni 1907.
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Groll der Heiden mit einem Schlage los: mit Ruderstangen und Äxten ruckten sie dem Abt zu Leibe, der indessen rechtzeitig davon Kunde, erhielt und durch den stattlichen Buchenwald dem Kloster zuflüchtete. In seiner Angst kletterte er schließlich, um seinen immer näher rückenden Verfolgern zu entgehen, auf einen Baum — aber vergeblich. Sein gewichtiges Schlüsselbund war ihm entfallen und verriet sein Versteck. Die Wenden sahen ihn und ihrer Wut fällten sie den Baum und schlugen den würdigen Prälaten tot.
Der Eindruck, den Sibolds Ermordung auf die Brüder machte, war derartig niederschmetternd, daß sie im Begriffe waren, für immer diesen ungastlichen Sümpfen und ihren verstockten Bewohnern den Rücken zu kehren, ein Vorhaben, von dem sie der Sage nach nur durch das Erscheinen der Allerheiligsten Jungfrau Maria abgebracht werden konnten, die ihnen zu bleiben befahl.
Die Tötung des Sibold und der Auszug der Brüder sind uns bis auf den heutigen Tag in der Lehniner Kirche in zwei, wahrscheinlich aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts herrührenden Ölgemälden erhalten, deren historische und kulturelle Bedeutung ebenso groß ist wie ihr Kunstwert gering.
Von weiteren Übergriffen der Wenden wird nichts berichtet und so gehört denn auch die Folgezeit der harten Arbeit, dem inneren und äußeren Ausbau des Klosters, der Urbarmachung und Pflanzung des Landes und der Christianisierung seiner Einwohner an. Geräuschlose Jahre waren es, voll angestrengtester Kulturtätigkeit, und daher von unermeßlichem Werte, aber bar an wichtigen äußeren Ereignissen.
Um diese Zeit wurde der Umbau der Klosterkirche nach einem, der jetzigen Kirche entsprechenden Grundriß begonnen und ausgeführt. Der Mönch Conrad, ein seiner großen Aufgabe vollkommen gewachsener Künstler wird als magister operis urkundlich bezeugt und ihm als dem ältesten namentlich bekannten Baumeister der Mark Brandenburg wurde auch das hohe Glück zuteil, an der Weihe des unter seiner Leitung vollendeten Baues im Jahre 1262 in Anwesenheit der Bischöfe von Magdeburg und Havelberg teilnehmen zu dürfen. Über die innere Ausschmückung des Gotteshauses ist Sicheres so gut wie nichts bekannt, wir wissen nur, daß iin November 1367 der Erzbischof Dietrich von Magdeburg, ein früherer Lehniner Mönch, dem Kloster 100 Brandeu- burgische Mark Silber zur Errichtung eines Altars schenkte, von dem sich noch eine mächtige steinerne Deckplatte erhalten hat. Um die Klosterkirche herum entstanden dann im Laufe der Zeiten eine Reihe weiterer, zur Aufnahme des Abtes und der Brüder bestimmter, Lehr- und Wirtschaftszwecken gewidmeter Baulichkeiten, die später wiederholt eingebaut und ständig erweitert wurden. Das Ganze ward von einer starken Mauer umschlossen, die sich im weiten Bogen um die Kloster-