Heft 
(1908) 17
Seite
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Oskar Blumberg.

Überreste alter gotischer Schnitzaltäre in den Kirchen des Kreises Oberbarnim. Von Oskar Blumberg.

Alte gotische Schnitzaltäre sind in der Provinz Brandenburg nicht gerade selten; es muß aber auffallen, daß solche oder deren Reste in manchen Gegenden sich förmlich häufen, während sie anderswo ganz fehlen. Der Kreis Oberbarnim bietet dafür ein gutes Beispiel. In seinem südöstlichen Teil, von Wriezen bis Strausberg, findet sich auf verhältnis­mäßig kleinem Raume in den Kirchen und auf Kirchenböden noch viel gotisches Schnitzwerk, während der größere nordwestliche Teil desselben Kreises sehr wenig, eigentlich so gut wie nichts hat. Strausberg, Wilken­dorf, Bollersdorf weisen noch ziemlich gut erhaltene ganze Flügelaltäre auf, auch Heckeiberg hat wohl noch einen solchen; Schulzendorf, Franken­felde, Ringenwalde, Reichenow haben Reste davon ihren später errichteten Altären eingefügt oder aufgesetzt, während Wriezen eine gleicherweise in Holz geschnitzte Darstellung des heiligen Abendmahls besitzt, die, nach ihren Größenverhältnissen zu schließen, sicherlich der Mittelschrein eines gotischen Flügelaltars gewesen ist. Sie ist erst vor wenigen Jahren der Verborgenheit entzogen und einigermaßen wiederhergestellt worden, ln Lüdersdorf lagert ein ansehnlicher, leider sehr schadhafter Rest von Apostelfiguren, darunter auch eine Mosesstatuette, auf dem schwer zu­gänglichen Kirchenboden; wie sich Einzelnes hier und da an gleicher Stelle wohl noch mehrfach vorfinden dürfte. Merkwürdig erscheint da­bei, daß solche kostspielige Schnitzereien auch in kleinen Dorfkirchen anzutreffen sind. Ihr Vorhandensein dort verdanken sie zumeist wohl freigebigen Kirchenpatronen, deren es in der katholischen Zeit mehr gab als heutzutage. Für den protestantischen Gottesdienst sind Flügelaltäre mit ihrem Troß von Heiligen natürlich nicht mehr angeschafft worden, und wo sie sich in evangelischen Kirchen noch erhalten haben, stammen sie, das gilt als Regel, aus katholischer Zeit. Freilich bat die Reformation nicht mit einem Schlage sich vollzogen, und innerhalb engbegrenzter Bezirke mögen von den Patronen Translokationen einzelner Altaraufsätze vorgenommen worden sein; das sind verschwindend geringe und unmaß­gebliche Ausnahmen geblieben. Wenn von dem in der Pfarrkirche zu Strausberg stehenden Flügelaltar vermutet und''behauptet wird, er sei aus dem früheren Dominikanerkloster dieses Städtchens übernommen worden, so ist das ganz sicher ein Irrtum. Was spricht denn eigentlich für die durch Strausberger Chronisten aufgebrachte und immer von neuem behauptete Ansicht? Doch recht herzlich wenig. Der Patron des Dominikanerklosters war ein anderer als der Patron der St. Marien-