Fragekasten.
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Ich bin eine dürre Königin,
Trag’ auf dem Haupt eine zierliche Krön’,
Und die mir dienen mit treuem Sinn,
Die haben großen Lohn.
Meine Frauen müssen mich schön frisieren,
Erzählen mir Märlein ohne Zahl,
Sie lassen kein einzig Haar an mir,
Doch siehst du mich nimmer kahl.
Spazieren fahr’ ich frank und frei,
Das geht so rasch, das geht so fein;
Nur komm ich nicht vom Platz dabei —
Sagt Leute! Was mag das sein?
(Rocken und Spinnrad.) E. Fr.
Herrn M. N. Erben nach altdeutschem Recht die Enkel wie)die Kinder Kopfteil oder nur Stammteil? Die Antwort hierauf berührt eine alte, bis in die germanische Heidenzeit zurückreichende Streitfrage, welche im X. Jahrhundert durch ein seltsames Gottesgericht, einen Gladiatorenkampf, entschieden wurde. Die betr. Stelle lautet bei Wittechind, Annales Corbei. II. (in Meibom Scr. E. G. I. p. 644): „De legum quoque varietate facta est contentio, fuereque qui dicerent, quia filii filiorum non deberent computari inter fllios, hereditatemque legitime cum filiis sortiri, si forte patres eorum obiissent patribus superstitibus. Unde exiit edictum a Rege, ut uni- versalis populi conventio. fieret apud villam quae dicitur Stela, factumque est, ut caussa inter arbitros judicaretur debere examinari. Rex autem, meliori consilio usus, noluit, viros nobiles ac senes populi inhoneste tractari, sed rem inter gladiatores discerni jussit. Vicit igitur pars, qui fllios filiorum computabant inter fllios, et firmatum est, ut aequaliter cum patruis hereditatem dividerent, pacto sempiterno.“*) Offenbar wollte der deutsche König seinen Kopf nicht allzusehr mit dieser wichtigen Erbrechtsfrage beschweren, auch es mit keiner Partei verderben, er ließ sie deshalb, anscheinend ohne Widerspruch der Volksmenge, in blutiger Weise durch einen Waffengang unter bezahlten Preiskämpfern mittels eines heidnisch-barbarischen Gottesgerichts zum Austrag bringen. — Nach dem deutschen bürgerlichen Gesetzbuch erhalten die Enkel bekanntlich vom Großvater nicht Kindesteil, sondern erben nur nach Stämmen d. h. alle Enkel nur ein Kindesteil. Übrigens fand die katholische Kirche damaliger Zeit gegen dergleichen, uns unbegreiflich dünkenden Gottesgerichte nichts zu erinnern, wofern nur eine Art gottes-
*) „Über eine verschiedene Rechtsauffassung entstand ein Streit und es gab Männer, welche sagten, daß die Söhne von Söhnen (EnkeL nicht unter die Zahl der Söhne gerechnet werden und nicht die Erbschaft mit Kindesteil erhalten dürften, falls ihre Väter zu Lebzeiten des Erblassers verstorben seien. Daher erging ein Erlaß vom Könige, daß eine Zusammenkunft des gesamten Volkes bei einem Ort, der Stela genannt wird, stattfände und nun sollten Schiedsrichter die Sache überlegen und entscheiden. Der König aber, indem er sich eines besseren Rats besann, wollte nicht, daß edele und ehrwürdige Männer des Volkes unwürdig behandelt würden und befahl, daß der Rechtsstreit unter Preiskämpfern zum Austrag gebracht würde. Und es gewann den Sieg die Partei, welche die Söhne von Söhnen unter die Söhne rechnete. Also wurde verordnet durch einen ewigen Pakt, daß die Enkel mit den Oheimen die Erbschaft gleichmäßig teilten.“