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Wilh. Wölkerling.
schmücken Ilimmelsschlüssel, zartwangige Anemonen oder andere liebliche Kinder Floras die mit sauber gewaschenen, geblümten Gardinen versehenen Fenster. Die auf die Gehöfte führenden, sonst von den Pferden und Rindern zerstampften Wege sind geebnet, und die Fußsteige zu beiden Seiten der Dorfstraße mit Sand oder Sägespänen bestreut. Eggen und Pflüge stehen geordnet im fernen abgelegenen Winkel, und die wohlgenährten Rosse scharren ungeduldig mit den Hufen, der Knechte harrend, welche ihnen sonst zur gewohnten Stunde das Futter schütten.
Die Bauern haben gleich am Morgen ihr bestes Gewand angelegt. Sie schauen über den grüngestrichenen Zaun, tauschen mit den Vorübergehenden Grüße aus, mustern neugierig die ankommenden Fremden und studieren mit sachverständigen Blicken das Wetter, wobei sie mit vollen Backen mächtige Rauchwolken aus der brennenden Pfeife in die Luft blasen. Das Resultat scheint allgemein zu befriedigen. Kein dunkles Wölkchen wird das schöne Fest trüben. Auch die Damen haben ihre Toilette beendet, und mit dem üblichen Rosmai'instrauß begeben sich alle in das Hochzeitshaus.
Es ist hohe Zeit. Schon naht der Bräutigam mit seinem Vertrauten, dem Dra psche mann oder Hochzeitsbitter, welcher die Gäste mündlich zur Feier einlnd. Aber o weh! Die gastliche Pforte bleibt verschlossen. Nach mehrmaligem Klopfen erkundigt man sich von innen nach ihrem Begehr und schickt dann nach längerem Bitten um die Braut statt der Auserwählten eine alte Frau heraus. Auf diesen Moment hat der Drausche- mann längst gewartet. Mit Ungestüm dringt er vor und macht so sich und seinem Begleiter den Weg frei. Nun sind beide in der Stube. Dort sitzt die Braut mit den D rausch ken oder Kranzjungfern vor einem "Tisch. Erstere wird erst dann von den Eltern freigegeben, wenn der Bräutigam den Drauschken ein größeres Geldgeschenk geopfert hat. Die feierliche Stunde des Abschieds ist gekommen. In wohlgesetzter ( Rede dankt der Hochzeitsbitter den Eltern für alle Liebe und Güte, die sie bis zum heutigen Tage ihrer Tochter angedeihen ließen, um sich nun einen eigenen Herd zu gründen.
Es ordnet sich der Zug zur Kirche. Die Braut geleiten die beiden Väter, während bei dem Bräutigam die Drauschken diesen Dienst über-*' nommen haben. Allerlei gute Bekannte drängen sich mit verschiedenen Sympathiemittelchen heran. Die Frauen stecken der Braut heimlich Leinsamen in die Tasche, damit es in ihrer Wirtschaft später nie ai Flachs fehle, und die Bauern versuchen dem Bräutigam neunerlei Getreide-. körner unbemerkt in die Schuhe zu bringen, weil dann Scheuer und Kornboden stets gefüllt sein werden. Unter Musik und Glockengeläut setzt sich der Zug langsam in Bewegung an der Dorfaue vorbei, in derer Teich sich die Gänse tummeln, aber bei dem ungewöhnlichen Schauspiel schleunigst ihr nasses Element verlassen und die Näherkommenden| ;