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R. Jiilicher.
kommt zuletzt heran und muH die gesamte Summe bringen, so daß auf diese Weise die Braut oft verschiedene hundert Mark erhält.
Haben alle Teilnehmer zum Schluß noch Wurst und Kuchen nach Bedarf geprobt und sich so gehörig gestärkt und gelabt, dann zieht jung und alt gewöhnlich in den Dorfkrug, wo nun der Tanz in seine Rechte tritt. Da drehen und schwenken sich die Paare unermüdlich, daß bald der Schweiß von der Stirn trieft. Die Tänzerinnen wechseln mehrmals die Garderobe, und die älteren Damen mustern mit Kennerblicken die Güte des Stoffes. Wer Hunger verspürt, geht an die gedeckte Tafel und trifft dort nach persönlichem Geschmack seine Auswahl unter den aufgestellten Gerichten. Allgemein spricht man dem zerschnittenen, gerösteten Rindermagen und dem Kalbsgekröse zu. So vergeht die ganze Nacht, und erst der anbrechende Morgen bringt der tanzlustigen Gesellschaft die nötige Ruhe. Aber bereits am Vormittag ladet die Musik zur Fortsetzung der Feier ein. Zunächst statten die Gäste in den Wohnungen Besuche ab, wobei die Kapelle aufspielt. Dann denkt man wieder an das Mahl, bei dem es die Reste des gestrigen Tages gibt, die auch heute noch vortrefflich munden. Darauf wechseln Tanz und allerlei Kurzweil miteineinander ab, und jeder weilt so lange, wie es ihm sein körperlicher Zustand noch gestattet. Der dritte Tag zeigt einen ernsten Charakter. Sämtliche Gäste beteiligen sich an dem Kirchgänge des jungen Ehepaares und sitzen nach der Rückkehr vom Gotteshause noch lange bei Speise und Trank gemütlich beisammen, bis schließlich der allgemeine Aufbruch erfolgt.
Neue Sprüche.
Gesammelt in der Mark von R. Jiilicher.
Von meinen sommerlichen Wandertagen im Spreewald brachte ich außer einer ganzen Zahl Friedhofssprüche auch eine hübsche Auswahl von anderweitigen Versen, allerdings meist an den Wänden der Wirtshausstuben mit, da ja leider im Gegensatz zu Ober- und Niederhessen, das in Fülle von wunderbar reichhaltigen und vielseitigen Haussprüchen strotzt, unsere Mark daran trostlos, arm ist.
Recht poetisch fiel mir angenehm auf in dem Dorf Saßleben, 1 Stunde von Calau (das dortige Rittergut mit großem und schönem Park gehört der bekannten Berliner Familie Gilka), daß über der Haustür des Wirtshauses (hart an der Chaussee Vetschau-Calau) ein Freskobild prangt, Mädchen mit Rosenstrauß, umgeben von einem Rosenkranz aus Stuck gefertigt — darüber hingen ein paar frische Rosen, und als Überschrift ist zu lesen: