Heft 
(1908) 17
Seite
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Reinhold Jülicher.

Ich teile aus der großen Zahl nur die eigenartigsten Sprüche und Verse mit; sie zeichnen sich vor den sehr uniformen Inschriften der Großstadt vorteilhaft aus, weil sie fast ausnahmslos vom Ortslehrer oder -Prediger verfaßt werden. So heißt es recht glaubenskräftig an einem Grabe:

Niemand meinen Tod beweinen soll,

Ich hin bei Gott, und mir ist wohl.

Einem jungen Mädchen wird nachgerufen:

In des Jugendlebens schönster Blüte

Brach dein Herz voll Freundlichkeit und Güte,

Engel trugen dich zu lichten Höhn';

Uns umrauscht des Schmerzes Trauerflügel,

Doch um deinen stillen Totenhügel Grünt der Hoffnung Palme: Wiedersehn.

Ebendort klagen die Eltern eines 10 jährigen Mädchens:

Sie hat ihr weiches Bettlein,

Das sie so sanft verbarg,

Vertauscht mit hartem Brettlein,

Mit engem, engem Sarg.

Die Mutter will nicht weichen,

Sie küßt den kalten Mund,

Doch ihre Tränen reichen Nicht mehr zum Herzensgrund.

Schon älter war das Kind, dem die Eltern diese Worte weihen:

Die Stütze brach, die einzge Tochter,

Die Hoffnung ruht im Grabe schon.

Einer älteren Person gelten die folgenden Verse:

Aus der Blüte der Jahre,

Der Fülle der Kraft,

Hat der Tod, Gottes Bote,

Dich hingerafft.

Verwelkt ist die Blume,

Die Blüte fiel ab,

Es entsank deinen Händen Der Wanderstab.

Es entschwand unserm Hause Der Sonnenschein,

Es sollte so früh, ach! geschieden sein.

Eigenartig klingt folgender Nachruf-:

Es zogen Todeswetter Durch unsre Heimatflur,

Wir suchten bang den Retter Bei eurer Todesspur.