Aus den Jugendtagen der Kohle.
435
dem h «iul h isprozesse ), der Platz greift, wenn der Luftzutritt gehemmt ist. In letzterem Falle hilden sich zwar auch Gase bei der Zersetzung des .Schlammes, vor allem d;is brennbare Sumpfgas, daß bei der noch immer nicht aufgeklärten Entstehung der Irrlichter eine Rolle spielen mag; die Hauptmasse des Schlammes verwandelt sich aber iu ein kohlciistotl reiches gallertartiges Produkt, in dem Pilze nicht leben können, das sich nur sehr langsam weiter verändert, und das man ebenso wie den Wiesenkalk oft unter Moorwiesen findet und dann als „Lebertorf“ bezeichnet. Nach dem Gesagten ist es klar, daß der Faulschlamm ein sehr mannigfaltiges Gebilde sein kann, das nach der einen Seite in Seekreide, bezw. Wiesenkalk, nach der anderen in Lebertorf übergeht. Eino seiner Erscheinungsformen müssen wir noch erwähnen, weil sie eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, leider unter dem gänzlich falschen Namen der “Infusorienerde“, die in zahlreichen Lehrbüchern als ein wesentlicher Bestandteil des Berliner Untergrundes genannt wird. Falsch ist der Name einmal insofern, als man unter Infusorien in der Wissenschaft kleine einzellige Tiere versteht, die in diesem Schlamm überhaupt nicht Vorkommen. Richtiger wäre schon die Bezeichnung Diatomeenerde; denn Diatomeen, d. h. einzellige Kieselalgen, die man in früherer Zeit mit unter dem Sammelnamen Infusorien begriff, haben zu der oben genannten Bezeichnung geführt. Aber auch in dieser Form wäre der Name für die in Rede stehende Berliner Bodenart ungünstig gewählt, weil Diatomeen nur einen geringen Bruchteil ihrer Masse bilden. Das oben gegebene mikroskopische Bild ist einer „Infusorienerde“ aus der Lüneburger Strasse in Moabit entnommen. Es zeigt, wie zahlreiche andere Bestandteile sie neben den Diatomeen enthält. Wo Faulschlamm freilich die Gelegenheit hat zu verwesen, da werden die organischen Beimengungen mit der Zeit zersetzt werden und die Kieselgebilde der Diatomeen in reicher Anhäufung Zurückbleiben, und dann darf man mit größerem Recht von einer „Diatomeenerde“ sprechen. Solche nahezu reinen Diatomeencrden sind es, die unter der Bezeichnung „Kieselguhr“ bei der Herstellung des Dynamits Verwendung finden. Hinsichtlich der Verbreitung der „Infusorienerde“ oder wie wir besser sagen, des Faulschlamms im Berliner Untergründe sei bemerkt, daß er immer dort vorkommt, wo vom Hauptstrom abgetrennte Spreearme, oder ruhige Buchten der Spree selbst langsam zuwuchsen. In einem solchen toten Flußstück kamen ganz ähnliche Bildungen zu stände, wie in dem See, von dem wii ausgingen und zu dem wir nun wieder zurückkehren wollen.
*) Die Begriffe „Verwesung“ und „Fäulnis“ werden geologisch also nicht wie im gewöhnlichen Leben gleichbedeutend angewendet. Die Wissenschaft ist hier wie so oft, gezwungen, einem gebräuchlichen Wert einen von dem gebräuchlichen abweichenden Sinn geben zu müssen, um scharf bestimmte Begriffe zu erhalten.