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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Modifikation von schulischem Arbeitsverhalten bei lernbehinderten Kindern 139

keit der Schüler modifiziert werden können. So wird z.B. der Schüler schritt­weise immer mehr an der Kontrolle der Leistungen und auch der Konse­quenzen im Rahmen eines Vertrages beteiligt. Der angestrebte Endpunkt

der Entwicklung sieht so aus, daß Lehrer und Schüler Vereinbarungen über eine komplexe Aufgabenstellung mit mehreren Verstärkungsmöglichkeiten für das Kind schließen(Makrovertrag) und der Schüler selbständig die Auf­gabenstellung in Teilprobleme mit Einzelleistungen und selbstgewählten Bekräftigungen aufteilt(Mikroverträge). Die Durchführung mehrerer Mikro­verträge führt den Schüler zur Erfüllung eines Makrovertrags. Der Makrover­trag stellt damit den Rahmen für das selbststeuernde Verhalten des Schülers dar. Das Konzept des Verhaltensvertrages erweist darin seine pädagogische Fruchtbarkeit, daß es über abnehmende Grade der Außenkontrolle zur Selbstkontrolle führt. Die Spielregeln des Vertragsabschlusses mit dem Lehrer werden für den Schüler schließlich zum Modell, nach dem er Verträge mit sich selbst abschließen kann. Damit wird die Internalisierung eines Außen­steuerungsvorgangs zum Modell der Selbststeuerung.

Bisherige Erfahrungen mit pädagogischen Kontrakten

In der Pädagogik ist der Gedanke des Kontrakts zwischen Schüler und Lehrer bereits 1922 von Parkhurst im Dalton-Plan formuliert worden. Lei­der fehlte es an empirischer Begleitforschung zum Dalton-Plan. Er ist in der Folgezeit nach recht globaler Kritik von Comish(1931) in Vergessenheit geraten. In jüngerer Zeit wurde das Konzept von Bockman(1971) wieder aufgegriffen. Er unterscheidet zwischen dem geschriebenen Schüler-Lehrer­Kontrakt als pädagogischem Instrument und dem Vorgang des Kontrahie­rens als Prozeß. Bockman sieht treffend im Prozeßaspekt die Stärke des Kontraktkonzepts. Seinen Ausführungen fehlt aber die hinreichende Berück­sichtigung der Motivierung des Lernenden und die Ausarbeitung einer Tech­nik der Kontraktpädagogik.

Zu diesen beiden Kritikpunkten an den Ausführungen von Bockman lie­fert die Arbeit von Homme u.a.(1970) die notwendigen Ergänzungen. Sehr differenziert beschreiben die Autoren die Motivierung des Schülers durch ein sorgfältig abgestuftes Bekräftigungsprogramm und den technischen Ablauf der Vertragsformulierung. Die Technik des Kontrahierens wird in einzelne Prozeßstufen eingeteilt. In der Vorbereitungsphase werden die Lernziele operational formuliert und dazu passende Lernmaterialien und Lernzieltests ausgearbeitet. Der Klassenraum ist in einen Aufgabenbereich und einen Ver­stärkerbereich eingeteilt. Im Verstärkerbereich erhalten die Schüler nach kontraktgemäßer Aufgabenlösung die vorher festgesetzten Bekräftigungen. Und schließlich werden für den Unterrichtsablauf die Regeln des Vertrags­abschlusses, der Lehrerkontrollen und der Lehrerhilfen festgesetzt. Im Sinne der Selbstkontrolle wird der Übergang vom Fremdkontrakt zum Selbstkon­trakt in Teilschritte zerlegt und dem Schüler stufenweise immer mehr an Selbstregulation übertragen, bis er weitgehend die Funktionen der Kontrolle, der Bewertung und der Bekräftigung des eigenen Arbeitsverhaltens übernom­men hat.