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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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188 Peter Becker und Armin Schmidtke

Modifikationen vorhandener kognitiver Schemata; Hinzunahme neuer kognitiver Schemata; Herstellung relativ dauerhafter neuer Verbindungen zwischen vorhandenen

Schemata.

Dieser Lernbegriff ist wesentlich umfassender als derjenige von Bäumler (1974), der in dem von ihm entwickeltenLern- und Gedächtnistest in erster Linie das Einprägen, Speichern(sowie Reproduzieren) vorgegebener Informationen prüft.

AlsDenken wären demgegenüber jene Prozesse zu bezeichnen, in denen vorhandene Schemata(Begriffe, Vorstellungen, Prinzipien etc.) einzeln oder in Kombination dazu benutzt werden, eine Reihe kognitiver Aufgaben zu bewältigen, z.B. Reize zu identifizieren, Relationen herzustellen, Analogien zu erkennen oder Folgerungen abzuleiten.

Die vorgeschlagene Unterscheidung zwischen Denken und Lernen läßt sich weder auf der Konstrukt- noch auf der Operationalisierungsebene streng aufrechterhalten. Piagget betont in diesem. Zusammenhang die enge Verfloch­tenheit von Assimilations- und Akkomodationsprozessen. So werden einer­seits Lernprozesse(z.B. Lernen von Paar-Assoziationen) durch Denken(z.B. Einbauen der zu assoziierenden Elemente in eine sprachliche Ganzheit) er­leichtert und gesteuert und andererseits Denkprozesse beschleunigt, wenn neue gelernte kognitive Schemata(z. B. Konzepte) zur Problemlösung einge­setzt werden.

Führt man in die vorangegangenen allgemeinpsychologischen Erörterun­gen die differentielle Perspektive ein, indem interindividuelle Unterschiede in der Denk- und Lernfähigkeit postuliert werden, so gelangt man zu folgen­der Möglichkeit einer formelhaften Intelligenz-,,definition:

Intelligenz= f(Denkfähigkeit, Lernfähigkeit).

Cattell(1963) sowie eine Reihe weiterer Autoren unterstreichen die Be­deutung einer dritten Funktion, deren Intaktheit die Voraussetzung für erfolgreiche Denk- und Lernprozesse ist, nämlich der Gedächtnisfunktion (Speicherungs- und Erinnerungsfunktion). Berücksichtigt man diesen Aspekt, so ergibt sich folgende erweiterte formelhafte Intelligenz-,,definition:

Intelligenz= f(Denk-, Lern-, Erinnerungsfähigkeit).

Nach dieser sicher sehr globalen Betrachtungsweise ist ein Individuum um so intelligenter je besser seine Denk-, Lern- und Erinnerungsfähigkeiten sind. Es wäre allerdings falsch, von der Annahme auszugehen, daß es so etwas wie eine einheitliche, material- und umweltunabhängige Denk- bzw. Lern­bzw. Erinnerungsfähigkeit gibt. Kulturvergleichende Untersuchungen und Faktorenanalysen belegen vielmehr, daß diese Konzepte in eine Reihe spezi­fischer Denk-, Lern- und Erinnerungsfähigkeiten zerfallen(vgl. z.B. Guilford, 1956; Irvine, 1968; Pawlik, 1968; Bäumler, 1974). Klammert man fürs erste diese wichtige Komplikation aus, so bleibt zu überprüfen, ob die er­warteten positiven Beziehungen zwischen Intelligenz einerseits und Denk-, Lern- und Erinnerungsfähigkeit andererseits tatsächlich bestehen.

Nach den vorliegenden Untersuchungen korrelieren Intelligenz-, Denk­und Erinnerungsmaße positiv. Unklarer und widersprüchlicher sind hingegen die Befunde über die Relation von Intelligenz und Lernen.