Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
191
Einzelbild herunterladen

Intelligenz und Hirnschädigung 191

Im Bereich niedriger Intelligenz scheint bzgl. der Lernfähigkeit eine grö­ßere Heterogenität zwischen verschiedenen Individuen und Gruppen zu bestehen als bei durchschnittlich oder überdurchschnittlich Intelligenten. Möglicherweise ist es notwendig, die Variablen Schichtzugehörigkeit, Rasse und Hirnschädigung-Hirngesundheit zu beachten.

Von Unterschieden im Leistungsverhalten(performance*) kann nicht ohne weiteres auf Unterschiede in der Lernfähigkeit rückgeschlossen wer­den, da die Leistungshöhe u. a. auch eine Funktion der sogenannten Hilfs- oder Stützfunktionen der Intelligenz sensu Mierke(z.B. Leistungs­motivation, Konzentration, Arbeitsstil u. a.) ist(vgl. auch Heller, 1973).

c) Hirnschädigung und Lernen

Als(Teil-)Ursache von Lernschwierigkeiten wird neben geringer Intelli­genz und einer Reihe weiterer Variablen nicht selten auch eine Hirnschädi­gung in Betracht gezogen(vgl. Frostig u.a., 1961; Kleber, 1973; Schleimin­ger, 1974; Tschirner, 1974; Wagner u. Külz, 1974; Wewetzer, 1975), da die in Untersuchungen gefundene Rate zerebraler Dysfunktionen bei Kindern mit Lernschwierigkeiten im allgemeinen wesentlich höher ausfällt als die der Normalpopulation(vgl. etwa Klosinski u.a., 1972; Wagner u. Külz, 1974).

Die Hypothese, daß Hirnschädigungen zu(spezifischen?) Störungen des Lernens führen könnten, ist weit verbreitet, obwohl es erstaunlicherweise nur wenige Lernexperimente gibt, in denen sie einer empirischen Überprü­fung unterzogen wurde(vgl. etwa die Übersicht bei Dietl, 1971 oder Scholtz, 1972).

Die überwiegende Mehrzahl der vorliegenden Arbeiten belegt zwar die Unterlegenheit der hirngeschädigten Kinder, es liegen jedoch auch widerspre­chende Befunde vor(vgl. Dunn u. Capobianco, 1959). Ein möglicher Grund für diese Widersprüche könnte darin bestehen, daß innerhalb der heterogenen Gruppe der Hirngeschädigten spezifischere Unterscheidungen getroffen wer­den müßten, wie etwa nach der Höhe der Intelligenz(vgl. etwa Dietl, 1971; Crinella, 1973; Dony, 1973) bzw. nach einzelnen Hirnschädigungssyndromen. Methodisch erscheint es jedoch nach Wewetzer(1970) gerechtfertigt, zunächst von der Gesamtgruppe der hirngeschädigten Kinder auszugehen und erst an­schließend Differenzierungen anzustreben, wobei nach Wewetzer u. U. nicht nur die bekannten klinischen Untergruppen und Komponenten relevant zu sein brauchen.(Zur Problematik der weiteren Differenzierung des Syndroms vgl. auch Wewetzer, 1975.)

Cattell(1963) ist der Auffassung, daß eine Hirnschädigung zwar sowohl diefluide wie diekristallisierte Intelligenz beeinträchtigen könne, daß diefluide* Intelligenz jedoch stärker betroffen sei. Daraus resultierten be­sondere Schwierigkeiten beim Lernen in einem neuen Bereich. Dony(1973) verglich hirngesunde mit hirngeschädigten Kindern, die nach der Höhe der Intelligenz in drei Gruppen unterteilt worden waren, bezüglich ihrer Leistun­gen im HAWIK. In der Gruppe der unterdurchschnittlichen Intelligenten zeigten sich die meisten signifikanten Unterschiede. In Übereinstimmung mit der oben genannten Hypothese Cattells erzielten die schwach begabten Hirn­geschädigten bessere Leistungen im Verbalteil, jedoch schlechtere Leistungen