192 Peter Becker und Armin Schmidtke
im Handlungsteil als Hirngesunde.(Der Handlungsteil prüft stärker als der Verbalteil das„Lernen‘‘ neuartiger Situationen, z.B. im Zahlensymbol-Test oder im Mosaik-Test; vgl. auch Budoff, 1967).
Engels(1966), der eine Stichprobe hirngeschädigter und hirngesunder Kinder mit dem Bühler-Hetzer-Entwicklungstest untersuchte, fand, daß die Hirngeschädigten sehr viel häufiger als die Hirngesunden ihr Leistungsminimum im Subtest„Lernen‘‘ hatten.
Lipman(1963) sowie Barnett u.a.(1959) stellten fest, daß hirngeschädigte Retardierte beim serialen Lernen schlechter abschnitten als hirngesunde Retardierte. Krauss u. Judd(1972) verglichen 21„neurologisch normale‘‘* debile mit 9 hirngeschädigten debilen Mädchen, die sich alle in einem Heim aufhielten. Bei einer Intelligenzretestung„verloren“ die Hirngeschädigten IQ-Punkte, da sie in ihrer Entwicklung stagnierten. Die Autoren schlossen daraus, daß die hirngeschädigten Heimkinder von dem vorhandenen Lernangebot weniger profitierten und mithin stärker lernbehindert seien als die hirngesunden und daß sie besonders intensiver heilpädagogischer Förderung bedürften.
Auch Aten u. Davis(1968) ermittelten bei Hirngeschädigten spezifische Gedächtnisschwächen. Einschränkend ist zu bemerken, daß in den Arbeiten von Engels(1966) und Aten u. Davis(1968) keine eigentlichen Lernexperimente durchgeführt wurden, sondern eher eine der Voraussetzungen für Lernen, nämlich Gedächtnisleistungen, geprüft wurden. Hier wird nun von einigen Autoren vermutet, daß bei Hirngeschädigten oft die Merkfähigkeit(unmittelbare Behalten) und weniger das(langfristige) Gedächtnis gestört sei (vgl. etwa Stieger, 1972 b).
In einer Reihe von Tierexperimenten konnte der Nachweis einer Beeinträchtigung der Lernfähigkeit durch anoxisch bedingte Hirnschädigungen erbracht werden(vgl. Meier, u.a., 1960; Gottfried, 1973; Sechzer u. a., 1973). Nach Sechzer u.a.(1973) glichen die bei Affen beobachteten Auswirkungen einer„frühkindlichen‘‘ Hirnschädigung sehr stark den bei Menschen auftretenden Effekten.
Die Erklärungsansätze für die angesprochenen Lerndefizite Hirngeschädigter unterscheiden sich hinsichtlich ihres Komplexitätsgrades. Stieger(1972a) nimmt auf das Figur-Grund-Modell Bezug und vermutet inadäquate Informationsaufnahme und-verarbeitung, während andere Autoren auf Konstrukte wie„Aufmerksamkeitsinkontinenz‘‘ rekurrieren(vgl. etwa Göllnitz, 1972; Routh u. Roberts, 1972; Kaspar, 1973). Eine informationstheoretische Erklärung, aus der sich u. U. pädagogische Konsequenzen ableiten lassen, versuchte Affolter(1972), die beim hirngeschädigten Kind eine beschränkte Kanalkapazität annimmt, die zu einem geringeren Erfolg des Wahrnehmungsaktes und somit auch aller hiervon abhängigen Leistungen führen soll.
2. Hypothesen und Fragestellung
a) Allgemeine Hypothesen
Im folgenden werden eine Reihe von Hypothesen über den Zusammenhang der Variablen Intelligenz, frühkindliche Hirnschädigung und Lernen